Einigung über Kohlekraftwerk
Hamburg: Vattenfall baut Hybridkühlturm, Umweltbehörde senkt die Auflagen
Das sich noch im Bau befindende Kohlekraftwerk im Hamburger Stadtteil Moorburg wird um einen Hybridkühlturm ergänzt. Die 200 Millionen Euro teure Anlage soll ab 2013 in Fällen zum Einsatz kommen, in denen die Wasserstände der Elbe eine Entnahme von Wasser für eine Durchlaufkühlung nicht erlauben oder einschränken. Die Temperatur des Kraftwerks wird dann durch einen geschlossenen Kühlkreislauf abgesenkt. Der Effekt: Die Prozesswärme wird nicht in den Fluss abgeleitet, sondern in die Umgebungsluft abgegeben. Ein weiteres Zugeständnis von Vattenfall: Die Auflagen zu den Mindestwerten der Sauerstoffkonzentration des Wassers werden verschärft.
Der Beitrag der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) zu dem Kompromiss ist eine Verringerung der wasserrechtlichen Auflagen: Vattenfall wird gestattet, in Zeiten, in denen der Kühlturm nicht betrieben werden muss, mehr Wasser aus der Elbe zu entnehmen. Damit wird dem Konzern ermöglicht, die Kapazitäten des Kraftwerks das ganze Jahr über voll auszuschöpfen. Nach den ursprünglichen Auflagen hätte es etwa 200 Tage mit gedrosselter Leistung fahren müssen. Die bittere Pille für Hamburg: Jährlich werden 8,5 bis 9 Millionen Tonnen CO2 in die Luft zu gepustet – der Ausstoß des Klimagases erhöht sich in der Hansestadt dadurch um rund 70 Prozent gegenüber dem heutigen Stand.
Mit diesem Vergleich ist ein Rechtsstreit erledigt, den der Energieriese 2009 vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht gegen die nach seiner Auffassung zu hohen Umweltauflagen angefangen hatte. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Bundesregierung und Vattenfall eine Einigung in einem internationalen Schiedsgerichtsverfahren zum Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg bekanntgegeben. Der schwedische Konzern hatte die Bundesrepublik Deutschland vor dem Internationalen Schiedszentrum für Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington wegen der Umweltauflagen in Hamburg verklagt und Schadenersatzansprüche in Höhe von 1,4 Milliarden Euro plus Zinsen geltend gemacht.
»Wir freuen uns, dass ein langer Rechtsstreit mit der Stadt ein Ende findet«, lautet das knappe und wenig aussagekräftige Fazit von Konzern-Sprecherin Sabine Neumann. Etwas auskunftsfreudiger war dagegen Hamburgs grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk. Sie wertet die friedliche Einigung mit Vattenfall zumindest als Teilerfolg. Begründung: Zukünftig sei eine »notwendige Rechtssicherheit« für Maßnahmen zum »dauerhaften Schutz der Elbe« und eine deutliche Verbesserung der Regelung des Sauerstoffproblems gegeben.
Ganz anders die Bewertung durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der »keineswegs« eine Verbesserung für den Gewässerschutz erkennen kann, sondern lediglich ein »Nullsummenspiel«. Wenn schon ein Hybridkühlturm gebaut werde, dann müsse er auch das ganze Jahr eingesetzt werden, sagte der Landesgeschäftsführer vom BUND Hamburg, Manfred Braasch. Die problematische Wasserentnahme aus der Süderelbe ließe sich so von 64 Kubikmetern auf einen Kubikmeter pro Sekunde senken.
Kritik kommt auch von der Linkspartei. Wenn Vattenfall den Kühlturm, wie vorgesehen, nur bei prekären Wasserständen in Betrieb nehmen müsse, dann werde nur das kostengünstige Minimum umgesetzt, statt alles für eine möglichst geringe Umweltbelastung zu unternehmen, so die Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Dora Heyenn. »Umweltschutz geht anders.«
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