Blumen für Stukenbrock

Erinnerung an Verbrechen im Kriegsgefangenenlager STALAG 326

  • Birgit Gärtner
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehr als 300 000 sowjetische Kriegsgefangene waren im STALAG 326 im ostwestfälischen Stukenbrock interniert, etwa 65 000 von ihnen starben aufgrund von Unterernährung, mangelnder medizinischer Versorgung und katastrophalen hygienischen Bedingungen. Seit 1967 erinnert der Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock alljährlich anlässlich des Antikriegstags am ersten Samstag im September an diese von der Wehrmacht begangenen Verbrechen. So auch in diesem Jahr, mit der ehemaligen ARD-Korrespondentin in Moskau, Gabriele Krone-Schmalz, als Hauptrednerin.

STALAG war der Nazijargon für die insgesamt 80 Stammlager, korrekt Mannschaftsstamm- und Straflager, in denen Kriegsgefangene untergebracht wurden. Vor allem sowjetische Kriegsgefangene wurden dort zunächst interniert und dann in die verschiedenen Regionen zur Zwangsarbeit weiterverteilt. Das STALAG 326 in Stukenbrock wurde 1941 errichtet. Bis 1945 war es das größte Durchgangslager für sowjetische Kriegsgefangene. Als die ersten dort ankamen, gab es nichts als den kargen sandigen Boden. Selbst gegrabene Erdhöhlen dienten ihnen als Unterschlupf.

Erst zum Winter 1941/42 wurden Baracken errichtet. Auch für Nahrung wurde nicht gesorgt, es ist bekannt, dass die Gefangenen sich in der Anfangszeit von Gras, Laub und Baumrinde ernährten. Bereits im August 1941 gab es eine Ruhrepidemie, gefolgt von Fleckfieber und Tuberkulose. Die Gefangenen wurden in der regionalen Landwirtschaft und einheimischen Betrieben als Zwangsarbeiter eingesetzt oder ins Ruhrgebiet verbracht, wo sie in der Montanindustrie schuften mussten. Später wurden im sogenannten Westlager noch Zwangsverschleppte aus der UdSSR, Polen, Frankreich, Serbien und Italien untergebracht.

Das STALAG 326 ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass der Mythos der sauberen Wehrmacht ein selbst gestricktes Märchen ehemaliger Wehrmachtssoldaten ist, das mit der Realität nichts gemein hat. Die Lager unterstanden dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW), erst ab dem 25. September 1944 war das Kriegsgefangenenwesen dem Reichsführer SS Heinrich Himmler unterstellt. Insgesamt wurden etwa 65 000 Menschen im STALAG 326 zu Tode gequält und in 36 Massen- und zahlreichen Einzelgräbern verscharrt.

Jährliches Gedenken seit 1967

Laut Art. 10 und 11 der Genfer Konvention hätten die Unterbringung der Kriegsgefangenen in hygienisch einwandfreien Unterkünften erfolgen und eine ausreichende Verpflegung und medizinische Versorgung gewährleistet werden müssen. Laut Haager Landkriegsordnung von 1907 sind Unterbringung, Nahrung und Kleidung Kriegsgefangener auf demselben Niveau wie dem der eigenen Truppen vorgeschrieben. Die Zustände in Stukenbrock waren ein Verstoß gegen die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung, mit anderen Worten: ein Kriegsverbrechen, ein 65 000-fa- ches Verbrechen gegen die Menschheit – verübt von der Wehrmacht.

Das Lager wurde am 2. April 1945 den amerikanischen Truppen übergeben. Am 7. Mai 1945 begannen überlebende Gefangene, das Gelände als Gedenkstätte herzurichten: sie setzten Grabplatten, pflanzten Bäume und begannen mit den Bauarbeiten des zehn Meter hohen Obelisken.

An diesem Obelisk werden seit dem 2. September 1967 jährlich anlässlich des Antikriegstags Kränze und Blumen zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus niedergelegt. Wegen des alljährlichen Blütenmeeres heißt das Organisationskomitee »Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock«.

Auf den Begleitveranstaltungen wird der Toten des STALAG 326 sowie allen Opfern des Faschismus gedacht, außerdem werden in verschiedenen Redebeiträgen politische Themen zur Sprache gebracht: 1970 die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen durch die Bundesregierung, 1972 Beendigung der Bombenangriffe auf Vietnam, 1975 Abschaffung der Berufsverbote, Anfang der 80er Jahre die Verhinderung der Stationierung der atomaren Sprengköpfe in der BRD, 1999 der NATO-Krieg gegen Jugoslawien, aktuell wird der Truppenabzug aus Irak und Afghanistan gefordert sowie die Auflösung aller neonazistischen Parteien und Organisationen.

Nachdem Mitte der 1970er Jahre die neonazistische Wehrsportgruppe Hoffmann in der Region aktiv wurde, kam es mehrfach im Vorfeld der jährlichen Gedenkveranstaltung zu Hakenkreuz-Schmierereien auf dem Friedhof. Ostwestfälische Jugendgruppen organisierten daraufhin dreitätige Zeltlager mit nächtlichen Mahnwachen auf dem Friedhof. Diese Tradition existiert als Antifa-Workcamp bis heute.

Freitag, 3. September, bis Sonntag, 5. September 2010 Antifa-Workcamp
Samstag, 4. September 2010, 14 Uhr Kranzniederlegung, 15 Uhr Gedenkveranstaltung

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