Wiener Grüne sind einander nicht grün
Spaltungen und Austritte in der Umweltpartei
Die Josefstadt, ein mehrheitlich von gutsituierten Bürgerfamilien bewohnter Bezirk nahe der Universität, machte den Anfang. Im politisch »grünsten« Flecken der österreichischen Hauptstadt verweigerte die Basis ihrem mittlerweile 75-jährigen grünen Bezirksvorsteher die Gefolgschaft. Die Abwahl verkraftete der Mann nicht, zumal dabei dem Vernehmen nach die Kunst des Mobbings zu größter Perfektion getrieben worden sein soll. Der scheidende Bezirkschef tritt am 10. Oktober mit einer eigenen Liste »Echt grün« vor die Wähler. Die Chancen auf eine weitere grüne Verwaltung im Bezirk sind damit gegen null gesunken.
Auch im Bezirk Mariahilf, unweit des Naschmarktes gelegen und bei Künstlern ebenso beliebt wie bei Mietern, die sich die Josefstadt nicht leisten könnten, wird es zwei grüne Kandidaturen geben. Dort putschte eine von der Landespartei in den Bezirk empfohlene Alt-Grüne die heimischen Aktivisten aus ihren Positionen. Die daraufhin gegründete Gegenliste nennt sich auch hier »Echt grün«.
Als in der vergangenen Woche noch ein grüner Bundesrat – die Namen wird man sich allesamt nicht merken müssen – von einem Tag auf den anderen die Fraktion wechselte und sich bei der SPÖ einschrieb, waren auch die grün-freundlichen Medien perplex. Die Chefin der zerstrittenen Wiener Truppe sprach von medialer Überreaktion und darüber, dass alles nicht so schlimm sei. Im übrigen, so meinte die junge griechischstämmige Maria Vassilakou realitätsverweigernd, gebe es »keine Spaltungen«. Vom griechischen Premier Giorgos Papandreou war Vassilakou vor einem halben Jahr eingeladen worden, die Umweltpolitik seiner Partei PASOK im Ministerrang zu betreiben. Damals entschied sie sich für die Wiener Grünpolitik, was ihr einerseits heute Leid tun dürfte und andererseits ein Schlaglicht auf die inhaltliche Beliebigkeit beim grünen Personal wirft.
Um inhaltliche Differenzen geht es im Streit der Wiener Grünen ohnehin nicht. Eher schon um demokratiepolitische Formfragen... und um persönliche Ränkespiele. Bei der Listenaufstellung für den bevorstehenden Wahlgang traten die formalen Demokratiedefizite wieder einmal deutlich zu Tage. Jeder und jede kämpft für sein oder ihr persönliches Fortkommen. Der hehre basisdemokratische Anspruch endet allzu oft in putschartigen Übernahmen ganzer Bezirksorganisationen, was auch deshalb leicht ist, weil Österreichs Grüne keine starke Mitgliederbasis aufweisen. Ein bis zwei Dutzend Aktivisten können auf regionaler Ebene – entsprechende Taktik vorausgesetzt – Organisationsstrukturen im Handstreich übernehmen.
Zudem fehlen gesellschaftliche Räume, in die sich erschöpfte oder politisch unbrauchbar gewordene Kader zurückziehen könnten. Die Szene der Nichtregierungsorganisationen ist dazu nicht willens, der individualisierende Anspruch grüner Politik wirft abgewählte Mandatsträger politisch ins Nichts. Die Furcht davor führt zu Grabenkämpfen, die auch persönlich an die Substanz gehen. Im Wiener Fall wird dieses strukturelle Manko am Wahlsonntag zu Buche schlagen.
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