Heuschrecken aus dem Briefkasten

Neue Fragen zum Krampnitz-Verkauf konnten im Haushaltsausschuss nicht restlos geklärt werden

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dem alten Kasernengelände in Krampnitz Fotos: ZB/Bachmann
Auf dem alten Kasernengelände in Krampnitz Fotos: ZB/Bachmann

Die Umstände bleiben rätselhaft. Auch die gestrige Sitzung des Haushaltsausschusses brachte keine vollständige Klärung des ominösen Verkaufs des Krampnitzer-Kasernenareals bei Potsdam. Auf Nachfrage wurde die Angelegenheit immer verwickelter und sonderbarer.

Die Unversöhnlichkeit der Positionen wurde bei dieser Gelegenheit einmal mehr bekräftigt. Während der Ausschussvorsitzende Ludwig Burkardt (CDU) im Anschluss von einem Versuch sprach, »uns Sand in die Augen zu streuen«, bestand der SPD-Abgeordnete Mike Bischoff darauf, durch den Verkauf sei »dem Land keinerlei Schaden entstanden«. Die oppositionellen Parteien CDU, FDP und Grüne bekräftigten ihr Vorhaben, in der Sache einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

Der CDU-Abgeordnete Dierk Homeyer warf den Verantwortlichen im Finanzministerium vor, dass der Verkauf der 110 Hektar Kasernenfläche im Norden Potsdams offenbar auf einem »wertlosen Gutachten« beruht habe, da das veraltete Papier auf die Errichtung eines Sportkomplexes bezogen gewesen sei. Die tatsächlichen Käufer planten jedoch eine Wohnbebauung, was den Wert völlig verändern müsse. Auch für Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist die Frage nicht beantwortet, ob das Ministerium die Fläche als Grünland oder Bauland betrachtet habe.

Die mit dem Verkauf befasste Referatsleiterin im Finanzministerium Iris Stelzig sagte hingegen, das Gutachten von 2006 habe die Fläche behandelt, »wie sie dalag«. Eine eventuelle Nutzung sei nicht eingeflossen. Der SPD-Abgeordnete Bischoff machte geltend, dass das Gutachten und die Wertermittlung überhaupt keinen Einfluss auf die Kaufsumme von 4,1 Millionen Euro gehabt hätten, weil in einer europaweiten Ausschreibung sich eben niemand gefunden habe, der mehr Geld bot. Vonstatten ging die Transaktion im Jahr 2008, das heißt in der Verantwortung des damaligen Finanzministers und heutigen Innenministers Rainer Speer (SPD). Laut Presseberichten ist inzwischen ein Teil der Fläche für 7,2 Millionen Euro weiterverkauft worden. Ohnehin habe das Land nur einen Teil der Kaufsumme überhaupt erhalten und einen beträchtlichen Teil davon auch noch rücküberwiesen.

Grünen-Fraktionschef Vogel argwöhnte, dass inzwischen aus der Fläche die »Filetstücke« herausgeschnitten und gewinnbringend veräußert worden seien, während das Land auf den wertlosen und verseuchten Arealen der Kasernen sitzen bleibe. Für den CDU-Politiker Burkardt ist der Verkauf ein Beispiel dafür, dass ein Geschäftemacher mit wenig Kapital »das große Ding drehen« wollte.

Dagegen unterstrich Referatsleiterin Stelzig mehrfach, ein Weiterverkauf könne nur mit Zustimmung des Landes erfolgen. Ein entsprechender Antrag sei bislang nicht eingegangen. Auf Nachfrage setzte Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) hinzu, auch mögliche Nacheigentümer der Grundstücke seien an die Klausel gebunden, dass ein Teil eventueller Mehrerlöse an die Landeskasse abgeführt werden müsste.

Doch auch für die Abgeordnete Margitta Mächtig (LINKE) ist im Verlauf der Ausschusssitzung nicht zweifelsfrei geklärt worden, unter welchen Bedingungen das Land Weiterverkäufen zustimmt und ob das Land gegebenenfalls Mehrerlöse wirklich erhält. Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser sah in dem Deal einen »Heuschrecken«-Angriff auf das Landesvermögen.

Völlig rätselhaft erscheint der Opposition, dass Ministeriumsmitarbeiterin Stelzig nach eigenem Bekunden die kaufende TG Projektentwicklungsgesellschaft als dänische »Thylander-Gruppe« gedeutet hatte, mit der das Land nach wie vor im Geschäft sei. Wenn das so gelesen wurde, dann »wäre das eine Sensation«, sagte Grünen-Politiker Vogel, der zuvor diese TG als eine »Briefkastenfirma« bezeichnet hatte. Minister Speer sagte zu dieser Frage, ein persönliches Gespräch habe ergeben, dass die Dänen in einem frühen Stadium das ursprünglich bekundete Interesse verloren hatten und der Grundstückkauf in Verantwortung eines Rechtsanwaltes Ingolf Böx und dessen TG Projektentwicklungsgesellschaft vonstatten gegangen sei.

Die Affäre kam vor einigen Wochen in die Schlagzeilen, nachdem es laut »Stern« hieß, die Liegenschaft sei in Wahrheit 25 Millionen Euro wert gewesen. In der Ausschusssitzung konnte nicht restlos geklärt werden, wer nun genau der Grundstückskäufer gewesen ist und inwieweit Teile des Grundstücks inzwischen schon weiterveräußert wurden. Landesrechnungshofpräsident Thomas Apelt kündigte an, in rund acht Wochen eine Bewertung der Vorgänge durch sein Haus vorzulegen.

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