Die Welt so groß – so eng
Erst Moskau, dann Wiener Festwochen – jetzt erreichte Frank Castorf die Volksbühne: »Nach Moskau! Nach Moskau!«
Wer zu oft »Leben« sagt, hat nie gelebt. Sagt Gottfried Benn. Bei Tschechow wird einzig und allein von »Leben« gesprochen. Dauernd. Gesprochen, geschrien, gebarmt, gepredigt, gewimmert, geflucht. Leben! Das ewige Wanderwort von trocknem zu zitterndem, von geiferndem zu flehendem Mund. Die Pathosformel: eindeutig als platonische Bekundung eines Anspruchs, dem die Wirklichkeit leider versagt wurde. »Leben!«, der viel beschworene Urlaut des Existierens – in Tschechows Stücken ist, was er bezeichnen soll, in die kalte, komische, kummerschaffende Unerreichbarkeit verlegt.
Leben, so setzt Frank Castorf die Vermutung fort, war noch nie dort, wo dem Menschen aufgetragen wurde zu leben. Immer ist dem Einzelnen, um darin leben zu können, die Welt zu groß, aber seine Welt zu eng. Das skandalöse Missverhältnis von objektiver und subjektiver Welt macht uns so arbeitsam, so wieselnd, so nervös, so traurig, so böse, macht uns so elend beflissen,...
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