Entführungen vor dem Votum
Gewaltakte der Taliban stimmen Afghanistan auf Parlamentswahl ein
Kabul (AFP/dpa/ND). Einen Tag vor der Wahl entführten Taliban-Rebellen am Freitag einen Kandidaten sowie mehrere Wahlhelfer, wie Vertreter der Wahlkommission mitteilten. Präsident Hamid Karsai rief die Bevölkerung auf, sich den Drohungen der Islamisten zum Trotz an der Wahl zu beteiligen. Rund 10,5 Millionen Afghanen sind dazu aufgerufen, bei der Parlamentswahl an diesem Sonnabend ihre Stimme abzugeben.
Der Kandidat Abdul Rahman Hajat wurde am Freitagmorgen in der westlich von der Hauptstadt Kabul gelegenen Provinz Laghman verschleppt. Ein Taliban-Sprecher übernahm im Namen der Radikalislamisten die Verantwortung für die Tat. Zuvor hatten mutmaßliche Taliban zehn Helfer eines Kandidaten sowie acht Mitarbeiter der Wahlorganisatoren in der Nacht zum Freitag in der nordwestlichen Provinz Badghis verschleppt, wie der Chef der Wahlkommission in der Provinz, Abdul Rahman, sagte. Nach Angaben von Bezirks-Gouverneur Mohammed Schah Hansala wurden sie in einem von den Taliban kontrollierten Gebiet entführt. Insgesamt treten mehr als 2500 Kandidaten an, um einen der 249 Sitze im Abgeordnetenhaus in Kabul zu erhalten.
Die Taliban wollen einen friedlichen und geordneten Ablauf der zweiten Parlamentswahl seit ihrem Sturz durch ein von den USA angeführtes Militärbündnis im Jahr 2001 mit Gewalt verhindern. Sie drohen damit, bei der Wahl Wahllokale, Wahlhelfer und Sicherheitskräfte anzugreifen und warnten, auch Wähler könnten dabei »verletzt« werden. Zudem riefen sie die Afghanen zu einem Wahlboykott auf. In den vergangenen Wochen wurden bereits mindestens drei Kandidaten und mehrere Wahlkampf-Mitarbeiter getötet. Zahlreiche andere Politiker oder Mitarbeiter wurden entführt oder bei Angriffen durch mutmaßliche Aufständische verletzt.
Afghanistans Präsident Karsai gab der Hoffnung Ausdruck, »dass die Menschen in allen Ecken unseres Landes, in jeder Stadt unseres Landes und jeder Provinz zu den Wahllokalen gehen werden und für den von ihnen bevorzugten Kandidaten ihre Stimme abgeben und dadurch unser Land zu weiterer Stabilität bringen werden«. Vor dem Votum war indes bereits klar, dass etwa 15 Prozent der Wahllokale geschlossen bleiben, weil sie in umkämpften Regionen liegen.
Karsai räumte auch ein, dass es zu »Unregelmäßigkeiten, Problemen und Anschuldigungen« kommen werde. So erwähnte er den Stimmenkauf. Die Wiederwahl des Präsidenten 2009 war von Unregelmäßigkeiten überschattet, von denen Karsai profitierte.
Derweil haben Soldaten der NATO-Truppe in der nordafghanischen Provinz Kundus im Einsatzgebiet der Bundeswehr einen ranghohen Kommandeur der Taliban getötet. Wie die NATO-geführte ISAF am Freitag mitteilte, kamen bei der Militäraktion im Unruhedistrikt Char Darah sieben weitere Extremisten ums Leben. Der Kommandeur habe die Taliban im Nachbarbezirk Aliabad befehligt und während der Parlamentswahl Anschläge geplant. Den Angaben zufolge fand die Operation am Mittwoch statt.
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