Die Lunte brennt am Pulverfass Sahelzone

Entführung von Mitarbeitern französischer Firmen in Niger sorgt für neue Spannungen

  • Abida Semouri, Algier
  • Lesedauer: 3 Min.
Nur wenige Wochen nach der Freilassung von zwei spanischen Geiseln ist die Sahelzone erneut Schauplatz von Entführungen. Sieben Menschen – fünf Franzosen, ein Togoer und ein Madagasse – sind seit vergangenem Donnerstag in der Gewalt bisher unbekannter Kidnapper.

Vieles deutet jedoch darauf hin, dass auch diesmal die Terrorgruppe Al Qaida des islamischen Maghreb (AQMI) für die Tat verantwortlich ist. Die Mitarbeiter der französischen Firmen Areva und Sogea-Satom – beide in der Uranförderung tätig – waren im Schlaf in ihren Häusern in der nordnigerischen Stadt Arlit überwältigt worden. Die Firmen haben unverzüglich die etwa 50 französischen ihrer insgesamt 2500 Angestellten in die 1000 Kilometer südwestlich gelegene Hauptstadt Niamey in Sicherheit gebracht.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Entführungen begann die mauretanische Armee eine groß angelegte Militäroperation gegen bewaffnete Gruppen, die sich mittlerweile bis in den Norden Malis erstreckt. Offiziell haben Nouakchott und Paris einen Zusammenhang beider Ereignisse dementiert.

Dies ist allerdings wenig glaubwürdig, zumal die Geiseln sofort nach ihrer Gefangennahme ebenfalls nach Nordmali verschleppt worden sein sollen. Bislang sollen bei den heftigen Kämpfen, bei denen schweres Geschütz und Kampfjets zum Einsatz kommen, zwölf Mitglieder der von dem Algerier Abou Zeid angeführten Terrorgruppe sowie mindestens 15 mauretanische Soldaten getötet worden sein.

Auch die Erklärung Frankreichs, nicht an der Militäraktion beteiligt zu sein, wird von Beobachtern angezweifelt. Augenzeugen in der malischen Stadt Kidal berichteten am Wochenende vom Einsatz zweier französischer Aufklärungsflugzeuge. Eine vor zwei Monaten fehlgeschlagene französisch-mauretanische Befreiungsaktion, die die Ermordung der Geisel Michel Germaneau zur Folge hatte, hat das Vertrauen zwischen den Führungen und Militärs der betroffenen Länder der Region stark erschüttert. Vor allem Algerien, das sich um bessere Abstimmung und Koordinierung gemeinsamer Aktionen – wohlgemerkt unter Ausschluss europäischer Streitkräfte – bemüht, sah in dem Alleingang einen empfindlichen Rückschlag.

Algier lehnt auch die Praxis der Freilassung von Terroristen und Lösegeldzahlung entschieden ab. Nach Aussage von Präsidentenberater Kamel Rezzag Barra haben die Terrorgruppen im Sahel in den vergangenen fünf Jahren 50 Millionen Euro von europäischen Regierungen erpresst. Damit können die algerischen Anführer und ihre etwa 800 Gefolgsleute aus Mali, Mauretanien, Niger und Burkina Faso die schier unkontrollierbare Gegend in aller Ruhe zu einem sicheren Hinterland und Operationsgebiet machen. Dort kontrollieren sie gemeinsam mit den Drogenbaronen Schmuggelgeschäfte aller Art und profitieren von der Zerstrittenheit der betroffenen Regierungen ebenso wie von der Armut der Bevölkerung.

Indes wird Frankreich wohl auch im jüngsten Geiselfall alle denkbaren Register ziehen, ist es doch an einer äußerst empfindlichen Stelle getroffen: Die Firma Areva liefert ein Drittel des Uranbedarfs für französische Kernkraftwerke. Zu den bisher drei Förderstätten in Niger soll ab 2013 eine weitere in Imouraren mit einer jährlichen Lieferkapazität von 5000 Tonnen Uran hinzukommen. Dafür will das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro investieren.

Niger würde dann weltweit zum zweitgrößten Produzenten des begehrten Rohstoffes aufsteigen. Das Vorhaben ist an das Versprechen gekoppelt, jedes Jahr 30 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte in der verarmten Region bereitzustellen. Die dort lebenden Tuareg-Nomaden haben dies unter anderem durch eine unblutige Entführungsaktion vor zwei Jahren erzwungen. Bislang gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass auch diesmal die Rebellen der Bewegung der Nigerer für Gerechtigkeit hinter der Geiselnahme stecken.

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