Kein Schaden trotz Mängelliste
Rot-rote Koalition legte ihre Sicht auf den Untersuchungsbericht »Spreedreieck« vor
»Kein Schaden für Berlin« – das war der Kernsatz der gestern erläuterten Koalitionssicht auf die Ergebnisse des 1. Untersuchungsausschusses »Spreedreieck« zum Immobiliengeschäft am Bahnhof Friedrichstraße. Für die beiden Fraktionssprecher im Ausschuss, Uwe Doering (LINKE) und Torsten Schneider (SPD), schlugen letztlich sogar »mindestens« 4,277 Millionen Euro positiv für den Berliner Etat zu Buche. Dabei ließen sich ihrer Meinung nach sogar noch 32 Millionen Euro draufschlagen, wenn man die mögliche Durchsetzung eines Anspruches der Erben von Max Reinhardt auf das Deutsche Theater hinzurechnete – zu der es nicht kam.
So kompliziert das auch sein mag, die Angelegenheit »Spreedreieck« war es im Widerstreit der Parteien nicht minder. »Wir haben es mit politischer Rabulistik zu tun«, klagte Schneider über rechthaberische Spitzfindigkeit und Wortklauberei. So viele Zahlen seien im Gespräch gewesen, erinnerte Doering, »tatsächliche und virtuelle, geschätzte und vermutete«. 8, 12, 20 und sogar 100 Millionen habe der Schaden angeblich betragen – »politische Parolen«.
Als »Kardinalfehler« auf einer langen Mängelliste machten die beiden roten Fraktionen den Abschluss eines »mangelhaften Kaufvertrages« aus. Der Senat der großen Koalition von CDU und SPD hatte in Gestalt von Finanzsenator Peter Kurth (CDU) das Grundstück zwischen Bahnhof, Friedrichstraße und Spree im Jahr 2000 an den Investor Harm Müller-Spreer verkauft, obwohl ein Teil davon der Bahn gehörte. Daraus resultierten Entschädigungen.
Das Spreedreieck seinerseits war Teil eines Tauschgeschäftes mit den Reinhardt-Erben. Die verzichteten dafür auf Ansprüche am Deutschen Theater. Das Spreedreieck ging an den Investor. Der baute nach wechselnder Planung schließlich sein Bürohochhaus. Den Zusammenhängen ging seit nun zwei Jahren ein Untersuchungsausschuss forschend nach. Ein »schlechter Vertrag, gut für den Investor, anschließend Reparaturbetrieb«, fasste Doering das Geschehen zusammen. Viele kleine Versäumnisse hätten sich angehäuft, klagten die Experten. Sie auseinanderzufitzen, erforderte 2300 Seiten Wortprotokolle, 68 Zeugen. Von denen wurden sogar zwei vereidigt, ohne dass der Ausschuss in diesem Falle Widersprüche klärte. 40 Sitzungen und 33 Beweiserhebungen führten zu vertiefenden Erkenntnissen, wie Doering bekannte. Grundlegend neu seien die aber nicht gewesen.
- Dezember 2000: CDU/SPD-Senat verkauft das Areal für 17 Millionen Euro.
- September 2001: Die Oberfinanzdirektion ordnet die Bahnflächen auf dem Spreedreieck nicht mehr Berlin zu, sondern der Bahn. Der Investor fordert Schadenersatz.
- November 2004: Investor bekommt 8,7 Millionen Euro zurück.
- Dezember 2007: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erklärt Bebauungsplan für nichtig.
- März 2008: Rot-Rot zahlt im Vergleich vier Millionen Euro.
- September 2008: Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf.
- Herbst 2009: Erste Mieter beziehen das Hochhaus. Hauptmieter: Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.
- 17.9.2010: Der Ausschuss beendet seine Arbeit. dpa
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