Vattenfall soll schrumpfen
Der schwedische Energiekonzern setzt auf Sparen und den Ausbau der Erneuerbaren
Vattenfall verordnet sich eine Schrumpfkur und will durch Verkauf von Kohlekraftwerken grüner werden – allerdings nicht in Deutschland. Hinter dem Strategiewechsel stecken finanzielle Probleme und Anweisungen der schwedischen Staatseigner.
Stockholm (dpa/ND). Vorbei die Zeiten, als Vattenfall alle drei Monate Traumgewinne vermelden konnte und das meiste davon deutschen Stromkunden zu verdanken hatte. »Wir brauchen jetzt wohl drei Jahre, um uns zu konsolidieren«, sagte der neue Konzernchef Øystein Løseth kleinlaut, als er Dienstag in der Stockholmer Zentrale ein Sparprogramm mit weniger Investitionen, Personalabbau, dem Verkauf von Kohlekraftwerken und vermutlich dem Ausstieg aus einigen Ländern ankündigte.
Der schwedische Staatskonzern will sich mit mehr erneuerbarer Energie neu ausrichten, hält aber an seinen deutschen Kohlekraftwerken fest. Das Unternehmen will sich künftig auf seine »Kernmärkte in Deutschland, Schweden und den Niederlanden« konzentrieren. Auch die störanfälligen deutschen Atomreaktoren Krümmel und Brunsbüttel will der Konzern behalten. »Wir wollen, dass sie möglichst schnell wieder ans Netz gehen«, betonte Løseth. Der seit drei Jahren fast permanente Stillstand der norddeutschen AKW gilt neben dem milliardenschweren Kauf des niederländischen Versorgers Nuon als ein Hauptgrund für die aktuell schlechte Ertragslage bei Vattenfall. Als Ziel für die Wiederaufnahme der Produktion nannte Løseth den Jahreswechsel 2011 für Krümmel und den Sommer 2011 für Brunsbüttel: »Dies ist mit den jetzt erweiterten Laufzeiten für deutsche Atomreaktoren für uns eine sehr wichtige Sache.«
Durch den Verkauf von Kohlekraftwerken in Ländern wie Dänemark und Polen sowie verstärkte Anstrengungen bei erneuerbaren Energien will das Unternehmen seinen CO2-Ausstoß bis 2020 von 90 Millionen auf 65 Millionen Tonnen reduzieren. Dennoch soll der geplante Neubau des Hamburger Kraftwerkes Moorburg wie geplant durchgeführt werden. Einen Rückzug aus dem umstrittenen ostdeutschen Braunkohleabbau in der Lausitz hatte Vattenfall vergangene Woche ausgeschlossen.
Die Schrumpfpläne begründete der norwegische Konzernchef mit der deutlich gesunkenen Nachfrage und dem immer stärkeren Druck auf den Strompreis durch den Ausbau der Windenergie. Außerdem hat Schwedens Regierung als alleiniger Anteilseigner das Unternehmen wegen seiner massiven Aktivitäten bei der klimaschädlichen Kohle im Ausland gerügt und Änderungen verlangt. Vattenfall will die operativen Kosten in den kommenden drei Jahren um jährlich 650 Millionen Euro senken. Die bisher auf 21,7 Milliarden Euro veranschlagten Investitionen für die kommenden fünf Jahre werden auf 17,8 Milliarden reduziert.
In Deutschland gab es unterschiedliche Reaktionen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) und Sprembergs Bürgermeister Klaus-Peter Schulze (CDU) äußerten sich erleichtert über die Ankündigungen des Konzerns. Dagegen sprach der Cottbuser Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (LINKE) von »Rückzugsgefechten« bei der Kohle. Neskovic kündigte an, bald zum Konzernsitz nach Stockholm zu fahren und bei der schwedischen Regierung für eine Ausstiegspolitik zu werben. Neskovic, die Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm (Grüne) und Hermann Scheer (SPD), zwei Lausitzer Bürgermeister und die Grüne Liga forderten am Montag in einem Schreiben an alle schwedischen Reichstagsfraktionen, Vattenfalls Braunkohleförderung geordnet auslaufen zu lassen. Kommentar Seite 8
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