Hühnereierbecher und NVA-Schokolade
Ostprodukte-Shops laufen gut, auch aus dem Ausland reißt die Nachfrage nicht ab
Sie nennen sich »Ossiladen«, »Ostkult« oder »Ost-Best – kultig, nicht giftig«. Im Sortiment führen sie Ostprodukte und DDR-Kommerz von Grenzschildern, Orden und Ausweisen über Sandmännchen-Figuren oder Eierbechern im DDR-Design. 20 Jahre nach der Einheit ist die Nachfrage nach Ostalgieprodukten groß. Läden gibt es zwar vor allem in den neuen Bundesländern; übers Internet werden die Artikel, die längst nicht mehr nur im Osten produziert werden, aber auch in alle Welt verschickt.
»Die Nachfrage steigt von Jahr zu Jahr«, sagt Christoph Bauditz vom Ostprodukte-Versand in Tangermünde (Sachsen-Anhalt). 2003 wurde der Vertrieb gegründet – dreizehn Jahre nach der Wiedervereinigung. Mittlerweile hat der Versand 1300 Artikel im Angebot und verweist auf über 40 000 Stammkunden. Pro Tag werden etwa 100 bis 120 Pakete mit Ostprodukten oder DDR-Artikeln verschickt. Geordert werden können z. B. die legendäre Dederon-Kittelschürze oder der Huhn-Sonja-Eierbecher sowie Kultfilme wie »Die Legende von Paul und Paula«.
Besonders beliebt seien die »Ostpakete Intershop«, in Anlehnung an die früheren Westpakete. »Sie werden nach wie vor gern zu Weihnachten verschickt«, so Bauditz. Für 29,95 Euro kommen u. a. Erichs Luxus Duschbad und Rache Likör, ein Schlüsselanhänger Pittiplatsch, der Zollstock »Aktivist der ersten Stunde« sowie ein Kondom Set mit dem Pioniergruß »Seid bereit, immer bereit« hinein.
Michael Woizik betreibt einen DDR-Kultladen in Staßfurt. Über »Ost-Best – kultig nicht giftig« verkauft er auch im Internet das »Beste aus der DDR und dem Osten«. Im Sortiment finden sich auch rund 1000 angebliche Originalartikel aus Restbeständen, die in der DDR oder den Ex-Bruderstaaten produziert wurden, darunter Spielzeug, Haushaltswaren, Schulzubehör und Ausrüstungsgegenstände der Nationalen Volksarmee. Mit Trabis geht es auf Verkaufstour. »Die Ostwaren stellen ein Stück Geschichte dar, Geschichte zum Anfassen. Für viele Menschen verbunden mit Erinnerungen und Bauchgefühl«, so Woiziks Credo.
Andreas Liedloff vom Ostalgie-shop Neustadt (Sachsen) berichtet von Kundenanfragen aus Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden. »Das Geschäft läuft in letzter Zeit so gut, dass wir über eine weitere Expansion nachdenken.« Er ist mit zwei Mitarbeitern online und auf Stadtfesten aktiv.
Tino Hempel führt in Leipzig mittlerweile drei Ossiläden. Eingestiegen war er in das Geschäft mit den Ostalgieprodukten vor sechs Jahren – zunächst per Internetversand. Heute verschickt er seine Waren in die ganze Welt und berichtet von weiter steigender Nachfrage. Im Angebot hat er rund 4500 Artikel – darunter auch DDR-Restbestände wie Pionierhalstücher, Haushaltsschutzhauben und Wäscheklammern. Besonders gefragt seien Scherzprodukte wie »Still gestanden« (das Ostpils als Verpflegungspaket für Geländeübungen) oder die »Eiserne Ration – NVA-Ostschokolade«.
In Berlin berichten Händler am Checkpoint Charlie von guten Geschäften. Vor allem kleine Mauerstückchen in Plexiglas – meist zweifelhafter Herkunft – sind nach wie vor beliebt, vor allem bei Touristen aus Japan, Italien und Spanien. In der Eisdiele »Kalter Krieg« kann man Schwedenbecher nach DDR-Rezept schlecken.
Doch nicht nur DDR-Kitsch profitiert von der Ostalgiewelle. Auch Ostprodukte wie Rotkäppchen-Sekt, Spee, Florena und Köstritzer Bier haben ihren Platz in den Supermärkte längst behauptet. Zwar existieren von geschätzten über 700 DDR-Marken heute nur noch rund 120, doch Marktforscher beobachten einen anhaltenden Retrotrend. Während allerdings Verbraucher zwischen Hamburg und München nur selten zu traditionellen Ostmarken greifen, haben diese in den neuen Ländern immer noch ein viel positiveres Image.
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