Wilders werkelt an seiner »Freiheitsallianz«
CDU-Abweichler Stadtkewitz bietet dem niederländischen Rechtspopulisten in Berlin eine Bühne
Für René Stadtkewitz ist es ein Ritterschlag: Geert Wilders selbst gibt sich die Ehre und tritt auf Einladung des CDU-Dissidenten und Gründers der Partei »Die Freiheit« am Sonnabend erstmals öffentlich in Deutschland auf. Es ist der folgerichtige Abschluss monatelanger Querelen um Stadtkewitz: Schließlich hatte sich sein endgültiges Zerwürfnis mit den Christdemokraten just an der Einladung des niederländischen Rechtspopulisten entzündet. Die CDU forderte einen Rückzieher, Stadtkewitz blieb hart, sein Rausschmiss aus der Fraktion war die Folge. Die – gleichsam passive – Rolle, die der erklärte Islamgegner Wilders beim Gerangel um das ehemalige Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses spielte, zeigt, welche Signalwirkung der Niederländer inzwischen auf internationaler Ebene besitzt. Längst nicht mehr beschränkt sich sein polarisierendes Potenzial auf das eigene Land, wo sich Wilders-Bewunderer und -Hasser seit Jahren unversöhnlich gegenüber stehen.
Für die Berliner CDU war jeglicher Anschein einer Zusammenarbeit ein rotes Tuch, Gleichgesinnte jedoch sonnen sich in Wilders' Licht. Selbst einem zuvor außerhalb Berlins kaum bekannten Politiker wie Stadtkewitz verhilft die Verbindung zu Wilders zu bundesweiten Schlagzeilen. Dank ihrer genießt er nun eine, wenn auch zweifelhafte, Prominenz. Und für »Die Freiheit«, die schon im Namen deutlich bei der großen Schwester im Nachbarland (Partij voor de Vrijheid) abkupfert, ist Wilders' Besuch eine mehr als willkommene Starthilfe. Inzwischen erfährt sie selbst in niederländischen Medien gewisse Aufmerksamkeit, wie die Präsenz der wichtigsten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt NOS bei der Parteigründung zeigte.
Der internationale Ruf Wilders' wiederum basiert auf drei Faktoren. Zum einen ist sein Wirkungsfeld weiter als das anderer europäischer Rechtspopulisten. Wilders begreift den Einsatz gegen die vermeintliche Islamisierung eindeutig mehr als Kulturkampf denn als nationales Projekt. Davon zeugt seine Ankündigung im Juli, seine Bewegung in Großbritannien, Frankreich und Deutschland, den USA und Kanada zu verankern. Der Name dieses Projekts lautet vollmundig »Geert Wilders International Freedom Alliance«.
Daneben gründet Wilders' Bekanntheit auf seiner besonders radikalen und provozierenden Rhetorik. Er vergleicht den Koran mit »Mein Kampf« und bezeichnet den Islam als »faschistische Ideologie«. Besonders sein Kurzfilm »Fitna« (2008) fiel diesbezüglich auf. In den Niederlanden erstatteten zahlreiche muslimische und antirassistische Organisationen darum Anzeigen gegen Wilders. Im Januar wurde vor dem Gerichtshof Amsterdam ein Verfahren gegen ihn eröffnet. Die Anklage lautet auf Anstachelung zu Hass und Diskriminierung sowie Beleidigung von Muslimen aufgrund ihrer Religion. In der islamkritischen Internationalen genießt Wilders eben wegen dieses Prozesses den Status eines Märtyrers der Meinungsfreiheit.
Nächste Woche wird das Verfahren mit drei Sitzungen fortgesetzt. Der Auftritt in Berlin zwei Tage zuvor gerät da für Wilders zu einer willkommenen Gelegenheit, seine Bande mit der Basis zu verstärken. Eine »Rede über Islam als totalitäre Ideologie« kündigte er unlängst an. Dass das Gericht ihm nur drei der beantragten 18 Zeugen zugestand, dürfte dabei eine prominente Rolle einnehmen. Wilders kommentierte diese Entscheidung mit den Worten, ihm werde ein faires Verfahren verweigert.
Zusätzliche Brisanz erfährt der Wilders-Prozess durch die vorläufig abgeschlossenen Koalitionsgespräche in den Niederlanden. Gerade haben sich die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und der Christdemokratische Appell (CDA) mit Wilders' PVV auf ein Duldungsabkommen verständigt. Die PVV soll einem Minderheitskabinett aus VVD und CDA bei ausgewählten politischen Vorhaben zur Mehrheit verhelfen. Im Gegenzug stellte Wilders inhaltliche Forderungen bei Zuwanderung und Integration. Auch ohne Ministerämter wüchse der PVV also beträchtlicher Einfluss zu. Am Sonnabend soll ein Sonderparteitag des CDA, in dessen Fraktion es Widerstand gab, das Abkommen absegnen.
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