Das Känguru lässt sich nichts gefallen
Der Kabarettist, Musiker und Poet Marc-Uwe Kling über sein Künstlerdasein
ND: Wie sehen Sie Ihre Kunst? Warum lehnen Sie in Ihrem Buch »Känguru-Chroniken« den Begriff »Kleinkünstler« ab?
Kling: Ich finde, es ist eine sehr lustige Wortkonstruktion. Es scheint mir auch ein sehr deutsches Wort zu sein. Etwas, das vielleicht meine Mama oder mein Papa benutzen würden, weil es kein richtiger Beruf ist. Wenn ich das Wort wirklich hassen würde, hätte ich es nie ins Buch schreiben dürfen. Wenn nun also jemand mit der Frage kommt, weiß ich, dass er das Buch gelesen hat. Und das ist ja schon mal schön.
Gut, dann sagen wir einfach, Sie sind Künstler – ohne dieses »klein« vorne dran. Verstehen Sie sich als politischer Künstler oder als künstlerischer Aktivist?
Alles ist natürlich politisch, auch wenn du dich nicht positionierst. Ich fühle mich bemüßigt, mich zu positionieren. Insofern mache ich natürlich politische Kunst, aber nicht mit dem puren Zweck der Agitation. Es soll keine Predigt sein, kein Vortrag und keine Vorlesung, sondern immer noch Kunst, Unterhaltung und auch Spaß machen. Denn Satire kann bewirken, das System und die Macht in ihrer Lächerlichkeit bloßzustellen. Und in dem Moment, wo es lächerlich erscheint, ist es auch nicht mehr so beängstigend. Wenn man keine Angst mehr davor hat, kann man vielleicht auch dagegen angehen bzw. sich sein Leben nicht davon diktieren lassen.
Insofern machen Sie klassisches Kabarett.
Ja. Ich würde mich nur nicht auf ein Genre festlegen wollen. Ob das jetzt Liedermacher ist, Autor oder Kabarettist, irgendwie trifft es das alles.
Wie entstehen Ihre unterschiedlichen Werke, also die Lieder und Geschichten?
Wenn ich eine Idee habe, dann überlege ich erst einmal: Ist das jetzt eine Geschichte oder ein Lied. Es gibt keine objektiven Kriterien, nach denen das dann passiert. Manchmal reicht es, dass mir irgendwie zu einer Idee ein schöner Reim einfällt und dann wird es ein Lied. Und wenn mir keine Melodie dazu einfällt, dann wird es eben eine Känguru-Geschichte.
Wie sehen Sie als Künstler die Beziehung zum Publikum? Ist es Ihnen wichtig, vor einem bestimmten Publikum zu spielen oder gibt es Orte, an denen Sie nicht auftreten möchten?
Künstler zu werden, war mein Weg, vor der Lohnarbeit zu fliehen. Man gerät aber recht schnell in ein Hamsterrad und beginnt, sich selbst auszubeuten. Man hat viele Auftritte und verdient damit viel Geld. Aber am Ende ist man nur noch unterwegs und hat so viel Stress, als würde man arbeiten. Und das ist irgendwie nicht der Sinn gewesen. Deswegen versuche ich, selektiv aufzutreten und nur an Orten, die mir aus irgendwelchen Gründen wichtig sind. Das kann sein, weil da ein Freund wohnt und ich den sowieso besuchen will. Dann fahre ich eben in diese Stadt und spiele dort. Oder mir gefällt eine Stadt einfach.
Nun aber zu der Hauptfigur Ihres neuen Programms »Das Känguru-Manifest«. Mir scheint das Känguru ein Fabelwesen zu sein. Darauf deutet für mich auch das Zitat von Oscar Wilde, mit dem Ihr erstes Buch »Känguru-Chroniken« beginnt. Was war zuerst da, das Zitat oder die Geschichten?
Das Zitat habe ich natürlich erfunden.
Ach so? Das habe ich gar nicht gemerkt.
Das finde ich schön. Ich mag Witze, die dann am Ende kaum einer versteht. Auch in den Känguru-Geschichten sind immer wieder solche Witze drin. Wenn ich sie im Programm vorlese, dann lachen ein, zwei Leute total und der Rest vom Saal denkt: »Häh?« Es macht mir sehr viel Spaß, mit diesen ganzen Wahrheitsebenen zu spielen, wie mit einem Zitat vorne weg. Kannst du genau so gut erfinden, das merkt ja keiner.
Bei mir hat es geklappt. Hat es eigentlich ein Geschlecht? In der Natur haben ja nur weibliche Kängurus einen Beutel.
Das Känguru ist bi-trans-metro-sexuell und versucht, alle Geschlechterklischees aufzubrechen.
Wie würden Sie es charakterisieren? Es ist ja schon sehr frech .
Das Känguru lässt sich nichts gefallen. Es hat sich sein eigenes Weltbild zurecht gezimmert und das verteidigt es auch mit...
Boxhandschuhen?
Ja, schön gesagt. Und ich glaube, das macht es auch so sympathisch, dass es irgendwie sein Ding macht.
Wie geht es denn jetzt weiter in dem »Känguru-Manifest«?
Es geht vor und zurück. Es wird in der Vergangenheit und in der Zukunft spielen und auch in der Gegenwart natürlich. Es geht ein wenig um die Vergangenheit des Kängurus aus Sicht des Kängurus. Die Familiengeschichte wird aufgearbeitet und geklärt, wie das Känguru überhaupt nach Ostberlin kam. Und dann geht es um die Zukunft.
Mit Poetry Slam und Auftritten bei Lesebühnen haben Sie 2003 angefangen. Wie wichtig war es Ihnen, in einer Gruppe zu arbeiten?
Das war und ist immer noch sehr wichtig für mich. Wir haben da sehr viele kreative Differenzen. Aber es ist schlussendlich ein sehr fruchtbarer Prozess des Gebens und Nehmens – vor allem in der Vorbereitung. Wenn ich irgendwie in einer Geschichte nicht weiterkomme, rufe ich die anderen an und lese ihnen das vor.
Und das hilft Ihnen auch, die Solo-Programme zu erarbeiten?
Ja genau. Es ist ja so, dass alles, was ich schreibe, seine Premiere auf der Lesebühne feiert. Das Prinzip der Lesebühne ist, dass das Programm immer neu ist. Insofern ist Montag immer ein interessanter Tag. Da telefonieren wir sehr rege miteinander, weil die Texte dann meistens erst Montag geschrieben werden, bevor wir am Abend auftreten. Wie das halt immer so ist mit der Abgabe.
Würden Sie sich inzwischen als »alten Hasen« bezeichnen?
Der Poetry-Slam-Bereich ist natürlich extrem schnelllebig und da fühlt man sich sehr schnell als »alter Hase«, schon, wenn du zwei, drei Jahre dabei bist. Wenn ich mich dabei ertappe, dann kann ich auch darüber schmunzeln, dass ich mich für einen »alten Hasen« halte.
Interview: Katja Herzberg
Der in Berlin lebende Marc-Uwe Kling (28) zeigt sein neues Bühnenprogramm »Das Känguru-Manifest« vom 6. bis 23.10. im Mehringhof-Theater, Gneisenaustraße 2a in 10 961 Berlin-Kreuzberg, Tel.: 691 50 99,
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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