»Gewählt, wenn es den Leuten dreckig geht«

LINKE blickt auf 20 Jahre letztlich erfolgreiche politische Arbeit im Potsdamer Landtag zurück

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Von der verlachten Außenseitertruppe zum Koalitionspartner: Auf 20 Jahre erfolgreiche Arbeit hat die Linksfraktion bei einer Feier am Dienstagabend zurückgeblickt. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstrich bei dieser Gelegenheit seine Treue zum rot-roten Regierungsbund.

Ein wenig war es, als würde eine Einheitspartei das ganze Parlament beherrschen. Die Abgeordneten der Sozialisten, ihre Genossen und Freunde füllten am Mittwoch den Plenarsaal des Landtags in Gänze. Vereinzelt waren Gäste der SPD und der Grünen dabei.

Auf eine stolze Entwicklung ihrer Partei in Brandenburg konnte Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser verweisen. Mit 13 geradezu verfemten Abgeordneten hatte die PDS 1990 im Potsdamer Landtag angefangen, inzwischen sind es 26 Abgeordnete. Die LINKE ist unangefochten zweitstärkste Kraft im Land Brandenburg und Regierungspartner in schwierigen Zeiten.

»Der Vorrat an Gemeinsamkeit reicht für fünf Jahre«, versicherte Ministerpräsident Platzeck dem Koalitionspartner in seinem Grußwort. »Die Chemie stimmt«. Er selbst habe mit der Oppositionsrolle, die den LINKEN in Potsdam so lange zugedacht war, nicht so viel Erfahrung gesammelt, bekannte er und insofern spreche er davon »wie der Blinde von der Farbe«. Doch habe er bei der Konkurrenz von links in all den Jahren immer eines geschätzt, wiederholte Platzeck: »Nie ging es unter die Gürtellinie.« Sein Ziel bleibe es, gemeinsam mit den LINKEN »in Brandenburg den Zusammenhalt der Gesellschaft zu organisieren«.

Wie verblüffend der Gedanke doch sei, dass ein PDS-Abgeordneter der ersten Stunde – Helmuth Markov – heute stellvertretender Ministerpräsident ist, darauf machte Gregor Gysi aufmerksam. Aus dem großen Zuspruch des Wählers leite sich die Pflicht ab, Besonderes zu leisten und nicht zu enttäuschen. »Die Leute wählen uns, wenn es ihnen dreckig geht«, rief Gysi. »Bei Reichtum wird Union gewählt.« Dabei hätten die LINKEN einen entscheidenden Erfahrungsvorsprung vor den Westdeutschen, unterstrich Gysi: »Wir haben gelernt, mit Zusammenbrüchen umzugehen.« Diese Erkenntnis warte noch auf die politische Konkurrenz.

Dass mit dem Erfolg der Sozialisten eine »Partei der Kümmerer« die Ernte eingefahren habe, darauf machte der langjährige PDS-Landtagsfraktionschef Lothar Bisky aufmerksam. So lange die Füße »im märkischen Sand stecken, sind wir gut geerdet«. Nach der Wende habe er das dröhnende Gelächter des »allerneusten Siegers der Geschichte« vernommen. Aber besondere Klugheit habe da nicht mitgeschwungen. Ein wenig ging Bisky auch mit den eigenen Genossen ins Gericht, sprach von »politischen Klugscheißern bei den LINKEN«. Das Ideal einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft sollte im innerparteilichen Verhalten antizipiert werden, wünschte er sich. »Davon sind wir weit entfernt.«

Eingangs hatte der jüngste Abgeordnete des Landtag, der 1983 geborene Marco Büchel, den Pionierausweis hochgehalten, den er 1989 noch in Empfang genommen hat – »wenn auch nicht mehr unterschrieben«.

Die »graue Eminenz« der ersten 19 Landtagsjahre, der einstige Parlamentarische Geschäftsführer Heinz Vietze, würdigte das besonnene Verhalten von Volkspolizisten und Grenzsoldaten 1989 an der Berliner Mauer in für sie extrem komplizierter Lage. »Sie hatten einen Eid geschworen und nach den Gesetzen der DDR Landesverrat begangen.« Zum Gedenken an den PDS-Vordenker Professor Michael Schumann, dessen Unfalltod zehn Jahre zurückliegt, wird es am 2. Dezember eine feierliche Lesung seiner Texte geben, kündigte Vietze an.

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