Aus der Krise raus
Optimistischer Konjunkturbericht Herbst 2010
»Die Krise ist Geschichte«, frohlockte Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin. Die einzige schlechte Nachricht sah sein Amtskollege von der Industrie- und Handelskammer, Jan Eder, darin, dass der Höchststand von 2007 »noch nicht ganz wieder erreicht« sei. Gemeinsam präsentierten sie gestern im Meistersaal der Handwerkskammer Journalisten die »Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage Herbst 2010«.
Von Optimismus künden nun in fast allen Branchen die Aussagen von rund 4360 Betrieben zur gegenwärtigen Geschäftslage und zu ihren Erwartungen. 39 Prozent beurteilten die Situation als gut, 52 Prozent als befriedigend, 9 Prozent als schlecht. Zum zweiten Mal in Folge erhöhte sich der entsprechende Konjunkturklimaindex diesmal um 9 auf nunmehr 123 Punkte. Das ist der dritthöchste Wert in einem Herbst seit 2000. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 23 Punkten. Die wirtschaftliche Lage sei »robust und gut«, kommentierte Jan Eder.
Von einer »deutlich aufgehellten Stimmung« sprach Jürgen Wittke. »Nahezu jedes vierte Unternehmen sagt jetzt: Wir wollen mehr Personal einstellen.« Im Frühjahr war es nur jedes fünfte Unternehmen. Jetzt sinkt hingegen auch noch der Anteil jener, die die Zahl ihrer Beschäftigten reduzieren wollen, von 16 auf 13 Prozent. Insgesamt könne »mit einer Fortsetzung des bereits einsetzenden Aufschwungs am Arbeitsmarkt gerechnet werden«, verheißt der Report.
Spitzenreiter der konjunkturellen Entwicklung ist derzeit das Hotel- und Gastgewerbe. Hier ist die »deutlichste Verbesserung der Beschäftigungspläne« vermerkt. Nur drei Prozent der Unternehmen planen mit niedrigeren Beschäftigtenzahlen, während der Anteil jener, die zusätzliches Personal einstellen wollen, mit 30 Prozent zehnmal höher liegt.
Die Rekordzahlen im Berlin-Tourismus zeigen deutliche Auswirkungen. »Im Gastgewerbe herrscht unter allen Branchen der Berliner Wirtschaft mit Abstand die beste Stimmung«, informiert der Report. Lediglich noch ein Prozent beträgt der Anteil jener Unternehmen, die ihre Lage als schlecht bewerten. Von 41 Prozent auf 57 Prozent stieg hingegen der Anteil von Unternehmen, die ihre Geschäftslage als gut einschätzen. Die Erwartungen steigen sogar noch stark. Die Beschäftigungspläne entwickeln sich damit folgerichtig »außerordentlich gut«. Die Investitionspläne sind mit Abstand Spitze in Berlin und erreichen »den höchsten je in Berlin gemessenen Wert«. Insgesamt 60 Prozent der Tourismus-Unternehmen wollen künftig Geld in neue Projekte stecken.
Über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft bewegt sich trotz eines leichten Rückganges weiterhin die Bauindustrie. Sie hatte in der Frühjahrsumfrage 2010 noch besonders stark vom Konjunkturpaket profitiert. Im Durchschnitt liegen Dienstleistungen und Handel, darunter Industrie und Handwerk.
Berlin habe sich auf seine eigenen Stärken besonnen und größere Entlassungswellen abwenden können, fasste Jürgen Wittke das Erfolgsrezept knapp zusammen. Jan Eder erinnerte daran, dass Berlin seine Krise schon vorher erlebt habe. Dazu gehörten nicht zuletzt die notwendigen strukturellen Anpassungen nach dem Fall der Mauer. Zudem habe die Stadt diesmal auch von ihrer industriellen Schwäche profitieren können. Jetzt hofft sie aber wie andere auch auf Aufschwung im Export.
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