Dauerstreit um Bodenreformland

Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum macht der Regierung Vorwürfe

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Kapitel Bodenreformland ist offenbar noch lange nicht abgeschlossen. Gestern erhob die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) schwere Vorwürfe gegen das Land Brandenburg. Das Unrecht an mutmaßlich über 10 000 Opfern sei noch nicht bereinigt.

Von einem »einmaligen Ereignis staatlichen Unrechts« sprach Rechtsanwalt Thorsten Purps. Selbst nachdem der Bundesgerichtshof der damaligen SPD/CDU-Regierung sittenwidriges Verhalten bescheinigt hatte, sei im Grunde wenig oder nichts geschehen, was die Erben in ihr Eigentum setzen könnte.

Es ging um riesige Flächen landwirtschaftlicher Nutzfläche. Diese Flächen habe sich die Landesregierung unter den Nagel gerissen – mit der falschen Begründung, das Land sei herrenlos geworden. Von rund 18 000 Hektar, die zusammen etwa 90 Millionen Euro wert sind, sprach Purps. Darin sei noch nicht einmal erfasst, dass es auf dem Baugelände des Großflughafens Schönefeld acht betreffende Grundstücke gebe, die über einen noch viel höheren Wert verfügen.

Was ist der Hintergrund? Nach der Wende wurden Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) aufgelöst. Die Gründung späterer Agrargenossenschaften fußte schon auf bürgerlichem Recht. Für Eigentümer wurde das Land im Prinzip verwertbar. Die Grundstücke erhielten damit einen Wert. Wenn es sich um Bauland handelte, möglicherweise sogar einen beträchtlichen Wert. Die Erben aber, die sich vielleicht jahrzehntelang nicht sehen ließen, waren in den wenigsten Fällen problemlos zur Stelle.

In weiser Voraussicht hatte Ministerpräsident Hans Modrow die letzten Tage der DDR dazu genutzt, die Erben von Bodenreformland zu stärken. Ein Gesetz wurde verkündet, wonach Grundstücke demjenigen gehören sollen, der im Grundbuch eingetragen ist, beziehungsweise dessen Erben. Mit den spitzfindigen Beamten des Landes Brandenburg hatte man diese Rechnung allerdings nicht gemacht. Sie reklamierten Bodenreformland für den Staat.

Nach der Verurteilung dieser Praxis durch den Bundesgerichtshof verpflichtete sich das Land, die Grundstücke wieder herauszurücken. Doch bis heute sei von einer »Heilung« nichts zu erkennen, klagte Anwalt Purps. Jetzt müsste eine energische Suche nach Erben einsetzen, und dafür stünden auch Fachleute bereit, die das Land nicht einmal bezahlen müsste, argumentierte er. So seien bislang vage 400 bis 600 Fälle gelöst, obwohl es bei professioneller Arbeit 7000 bis 8000 sein könnten.

Erneut brachte die ARE auch ihr Ziel ins Spiel, gegen die Agrargenossenschaften vorzugehen, die aus den einstigen LPG entstanden sind und sich bis heute erfolgreich behaupten. Anwältin Catherine Wildgans sagte, mehr als 90 Prozent der Umwandlungen nach der Wende seien nicht korrekt abgelaufen. Doch räumte sie ein, dass sich nach all den Jahren nicht mehr viel machen ließe. Korrekturen würden sich allenfalls dort noch gerichtlich erstreiten lassen, wo die Abwicklung der LPG in außerordentlichem Maße fehlerhaft gewesen sei. Ihr Vorwurf lautet, dass die Genossenschaften vielen Mitgliedern, die sich von der Genossenschaft trennen und auf eigenem Grund und Boden ackern wollten, Eigentum vorenthalten haben. Sie sprach von einem Fall »in der Region Nauen«, wo LPG-Aussteiger angeblich um Grundstücke und Gebäude im Wert von 20 Millionen Euro gebracht worden seien.

Der ARE-Bundesvorsitzende Manfred Graf von Schwerin lobte, dass die Enquetekommission zur Aufarbeitung der ersten Nachwendejahre das Thema ausdrücklich behandeln wolle. Es ginge darum, dass die Agrargenossenschaften »abspecken«. Auf die Rolle der CDU angesprochen, die damals die gerichtlich untersagte Bodenreformpraxis in der Regierung mit betrieben hatte und heute »Aufklärung« fordert, sagte von Schwerin, es gebe bei den Christdemokraten »solche und solche«. Einigen sei an Aufklärung gelegen, anderen nicht.

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