Kite-Surfer erobern Tempelhofer Feld
Ein Brett mit Schlaufen, vier Gummi-Rollen und ein Lenkdrachen sind alles, was zum Herumsausen nötig ist
Berlin hat ein neues Kite-Revier: den stillgelegten Flughafen Tempelhof, wo einst die Rosinenbomber zur Luftbrücke landeten. Seit Mai sind die 300 Hektar ein öffentlicher Park aus endlosen Wiesen und verwitterten Rollbahnen. In zwei Jahren kommen die Bagger. 2017 ist eine Internationale Bauausstellung geplant. Noch ist Tempelhof eine riesige Spielwiese, die für Berliner Verhältnisse erstaunlich gepflegt und hundehaufenfrei ist.
Bei gutem Wetter sieht es aus wie auf einem »Wimmelbild« des Kinderbuchzeichners Ali Mitgutsch. Drachen flattern, Kinder testen ihre Skateboards oder üben Fahrradfahren. Männer lassen ihre ferngesteuerten Autos mit Benzinmotor über das Rollfeld knattern. Paare drehen auf Inlineskates ihre Runden. Und wenn viel Wind ist, versuchen Trocken-Surfer ihr Glück. Es ist ein gutes Revier für Kiter, die sonst an Lenkdrachen über das Wasser rasen.
Berlin hat weder Meer noch Strand, dafür aber den Flughafen, der geschlossen wurde, weil 2012 der neue Hauptstadt-Airport in Schönefeld öffnet. Über Tempelhof ist der Himmel fast so weit wie an der Ost- oder Nordsee. Und wie in St. Peter-Ording lauern hier die Surfer auf Wind. An diesem Sonntag sind es vier Windstärken. Auf einer Wiese tummelt sich ein halbes Dutzend Männer mit Lenkdrachen zum »Kite Landboarding«.
Wer es kann, hat ein Brett mit vier Gummirollen und Schlaufen an den Füßen, saust über die Wiese und wirbelt meterweit durch die Luft. So wie Christian Otterbach (28), der Helm und Schutzpolster trägt. »Ich war schon am ersten Tag hier. Es ist natürlich perfekt, weil es so riesig ist, dass die Windrichtung völlig egal ist«, sagt er. Kiter Philip Patzke (23) sieht es ähnlich. »Hier gibt es keine Bäume, wo sich die Leinen verfangen können.«
Eine Anfängerausrüstung koste um 300 Euro, schätzt Philip. Und es dauere etwa einen halben Tag, bis man es gelernt habe. Ist es gefährlich? »Nö, so wie Skateboardfahren vielleicht, man fällt mal hin.« Das Lenken geht wie beim Fahrradfahren, erklärt er. Dann der Test: Der Druck auf den Schirm ist enorm. Die Anfängerin muss reichlich unelegant den Leinen hinterher galoppieren, an den Sprung aufs Brett ist gar nicht erst zu denken. Ob das mit dem halben Tag stimmt?
Philip Patzke übernimmt die Lenkstange und saust weg. Ein Geheimtipp ist das Revier nicht mehr. Nun hoffen die Sportler, dass Tempelhof bleibt wie es ist, so wie es Philip gesagt hat: »Bitte, bitte, bitte – keinen Park daraus machen, keine Bäume pflanzen oder Häuser hierhin bauen!«
Auf der Tempelhofer Freifläche
Foto: dpa/Florian Schuh
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