Klassenrat und Kinderkonferenz
Mit dem Programm »Hands for Kids« sollen Schülern demokratische Werte näher gebracht werden
In der Mitte des Klassenraums steht eine Weltkugel. Die Kinder der multikulturell geprägten Schulklasse erzählen von ihren Herkunftsländern und stecken kleine Fähnchen auf eine Weltkarte. Der Lerneffekt: Jeder ist wichtig für die Lerngemeinschaft und die Gesellschaft, gleich wo er herkommt.
Eine Szene, die sich bald an immer mehr Schulen in Berlin und Brandenburg abspielen könnte. Denn dies ist eine Empfehlung im neuen Programm »Hands for Kids«, das vom American Jewish Committee (AJC) gemeinsam mit Pädagogen und Experten entwickelt wurde und Demokratie in der Schule vermitteln soll. »Das Programm ›Hands for Kids‹ für die Jahrgangsstufen eins bis sechs wurde bereits in Pilotschulen erprobt«, erklärte Reinhold Reitschuster von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung. Das Programm wird nicht den Unterricht ergänzen, sondern direkt und fächerübergreifend implementiert. Die Rolle des Lehrers und des Klassenverbandes sind dabei partnerschaftlich ausgerichtet. Lehrer werden zu »Lernbegleitern«, Schulklassen zu »Lerngemeinschaften«.
Die Schüler lernen im sozialen Miteinander andere Menschen, deren unterschiedliche Herkunft und Traditionen sowie Meinungen zu respektieren. Zudem werden ihre Rechte auf der Basis der UN-Kinderrechtskonvention ausgerichtet. Sie dürfen verstärkt ihre eigenen Anliegen und Interessen äußern. Dadurch soll ihr demokratisches Engagement gestärkt werden. Hierfür werden basisdemokratische Klassenräte mit gewählten Vertretern gegründet und Kinderkonferenzen einberufen, in denen gemeinsam Verantwortung für das soziale Miteinander in der Klasse übernommen wird. Kinder sollen gemeinsam mit ihren Lehrern und Eltern die Möglichkeit haben, ihre Schulen weiterzuentwickeln.
Die Erkenntnis, dass die Schule nicht nur ein Ort ist, an dem Lernstoff gepaukt, sondern auch soziales Miteinander gelernt wird und Werte vermittelt werden, ist nicht gerade neu, doch die Förderungen dieser Aspekte noch relativ jung. »Bisher wurden an Schulen, bis auf einige Ausnahmen, lediglich Informationen über Demokratie als Regierungsform und Kenntnisse über gesellschaftliche Institutionen und Strukturen vermittelt«, kritisierte der Sozial- und Erziehungswissenschaftler Wolfgang Edelstein. Er ist Gründer und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. »Hands for Kids« hat er fachlich unterstützt. In Deutschland gibt es die Demokratiepädagogik laut Edelstein erst seit etwa acht Jahren. Die Impulse hierfür kamen aus den USA, wo die Programme des AJC schon seit den 1980er Jahren an vielen Schulen des Landes umgesetzt werden. Im Jahr 2003 wurde das nach us-amerikanischem Vorbild vom AJC entwickelte erste schuldemokratische Projekt »Hands across the Campus«, das bald auch in überarbeiteter Form für ältere Kinder präsentiert werden wird, ins Leben gerufen. Seitdem kommen neue demokratische Lehr- und Lernformen an deutschen Schulen zunehmend in Mode.
Der Erfolg der Programme ist indes mit den bisherigen Methoden kaum zu messen. »In den PISA-Studien gibt es hierfür keine Standards. Dort wird bisher nur der Erfolg in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften untersucht«, monierte der brandenburgische Staatssekretär Burkhard Jungkamp. Für die Vermittlung demokratischer Werte würden Berlin und Brandenburg deswegen schon bald in der Kultusministerkonferenz (KMK) die Einführung von Bildungsstandards fordern.
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