Nachkriegsszene und Filmplakat
Die Galerie Helle Panke ehrt den Maler und Grafiker Paul Rosié zum 100. Geburtstag
Verschmitzt lächelt er mit seiner Zigarre im Mund auf dem Foto gleich am Eingang der Galerie Helle Panke. Dort gedenkt man des 100. Geburtstags eines bis zu seinem Tod 1984 sehr populären Zeichners, vornehmlich bekannt durch die Zusammenarbeit mit der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Wie vielseitig er gearbeitet hat, offenbaren die 26 teils im Doppelformat gehängten Bilder und Grafiken. In ihnen zeigt sich, dass Paul Rosié exemplarisch auch für die Leiden einer ganzen Generation steht.
Nach kaufmännischer Lehre schlug sich Rosié mit Gelegenheitsjobs durch: als Schnellzeichner in einem Tanzcafé, dann Tonmixer und Margarinevertreter, Theaterstatist am Gendarmenmarkt, Laufbursche, Hausdiener. Aus so jemandem wird etwas. Zunächst absolvierte er in Berlin die Meisterschule für Grafik und Buchgewerbe, stand als Soldat den vollen Krieg durch, zeichnete nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft für die Presse, ehe er ab 1955 auf 25 Jahre an der Kunsthochschule Weißensee lehrte, fünf davon als Professor.
Hager tastet sich der »Blinde Heimkehrer« von 1948 zwischen Ruinen und Baumstümpfen unter fahler Sonne vorwärts, kämmt in »Ehepaar« die abgemagerte Frau ihr Haar, beobachtet vom Gatten mit kantigem Profil. »Freche Gören« zeichnet, wie zwei kesse Mädchen einen wohlgefällig blickenden dicklichen Alten necken, und hat ebenso bereits die Pointiertheit einer Karikatur wie »Ilias einer großen Stadt«: Drei Jungen mit Glimmstengel im Kindermund verhandeln um ein Mädchen, das hingeworfen auf einem erhöhten Hausfragment liegt, lässig und nicht ganz so faszinierend wie einst Trojas Helena. »Platz an der Sonne« konfrontiert im Vordergrund den auf einem Kapitel lümmelnden Feisten im Anzug mit der Mühsal einer die Ziegellore schiebenden Trümmerfrau. An die Schärfe eines George Grosz erinnert »Kneipenszene«: Zwei »Herren« buhlen am Tisch um eine fette Dirne mit Zigarre im Breitmaul, zwei Männer halten sich abgewandt. »Nachtblume« ist in glatten Deckfarben das starke Porträt einer illusionslosen Frau, die weit hinten von einem Mann fixiert wird.
Ob »Gespräch in der Dämmerung«, Feder und Tusche, düsterfarbig, von 1973 so gemeint ist, wie es sich heute deuten lässt, bleibt offen. Vorn kuscheln eine Frau im Angela-Davis-Look und ihr Partner mit Schlips, links dahinter beäugt finster ein Stasi-Typ die Szene. Als ungewohnt pralles Interieur von 1976, Feder, Tusche und Aquarell, geben sich zwei »Ballszenen« mit ihrer Fülle an Beobachtungen, wie sich in geballter Dichte vom Saal bis zu den Rängen historisierend herausgeputzte Paare dort verhalten.
Ein Großteil der Ausstellung widmet sich Rosiés Zeichnungen zu literarischen Werken. »O Gott, das Leben ist doch schön«, Feder und Tusche, 1957, zitiert nach »Don Carlos«, scheint ein knorriger Alter auf einer Friedhofsbank zu seufzen. Zwei Federzeichnungen nehmen in groteskem Strich direkt Bezug auf Heinrich Manns »Professor Unrat«, andere illustrieren die skurrilen Typen aus Saltykow-Schtschedrins »Geschichte einer Stadt« und Molières »Eingebildetem Kranken«, selbst Goethe-Xenien: als Gleichnis auf Pistolen schwingende Ganoven im New York der Neuzeit. Auch Briefmarken, Buchumschläge, Filmplakate hatten ihren Platz in Rosiés Schaffen.
Bis 4.11., Galerie Helle Panke, Kopenhagener Str. 9, Tel. 47 53 87 24, www.helle-panke.de
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