Wahlkampfschlager A 100
Strikte Ablehnung des Autobahnbaus soll Linkspartei Stimmen zur Abgeordnetenhauswahl bringen
Die Verlängerung der Autobahn 100 ist die Kontroverse in der Stadt. Sie erhitzt die Gemüter der Bürger genauso wie die der Politiker. An der heftigen Auseinandersetzung über den Weiterbau der Autobahn von Neukölln nach Treptow wäre vor kurzem sogar fast die rot-rote Senatskoalition in Berlin zerbrochen. Nur ein Kompromiss im Koalitionsausschuss, die Planungen fortzuführen, aber in dieser Legislatur keine Bagger mehr rollen zu lassen, hielt SPD und LINKE zusammen.
Während die Sozialdemokraten im kommenden Wahlkampf nun offensiv für die Betontrasse werben wollen, plant die Linkspartei, das Thema zu etwas Vergleichbarem wie »Stuttgart 21« in Berlin zu machen. »Wir wissen, wie brisant Streit um Verkehrsprojekte sein können«, erklärt die Bundesvorsitzende der LINKEN, Gesine Lötzsch, im Hinblick auf den Bahnhofsstreit in Stuttgart. Lötzsch kündigte am Mittwochabend auf einer Informations- und Podiumsveranstaltung in Lichtenberg an, die sozialen Folgen des Autobahnbaus für die innerstädtischen Wohnquartiere im Abgeordnetenhauswahlkampf zu thematisieren.
An diesem Abend funktioniert das schon mal: Der kleine Saal im Lichtenberger Nachbarschaftstreff »Kiezspinne« ist voll, das Thema A 100 und ihre Folgen der Linkspartei-Veranstaltung wühlt auch hier auf. Und dies, obwohl der 17. Bauabschnitt, der einmal direkt durch die benachbarten Wohnquartiere bis zur Frankfurter Allee führen soll, derzeit noch gar nicht zur Debatte steht. Gleich zu Beginn der Veranstaltung macht aber Birte Rodenberg von der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) klar, dass, wer den 17. Bauabschnitt nicht wolle, jetzt gegen den aktuell umstrittenen 16. Bauabschnitt nach Treptow kämpfen müsse, weil eine Verlängerung zur nächsten führen werde.
Unstrittig sind an diesem Abend die sozialen Folgen einer Autobahn: Neben mehrjährigem Baulärm, der Wohnen in der Nachbarschaft quasi unmöglich macht, würde die Autobahn auch auf Dauer die soziale Zusammensetzung der Kieze verändern. »Je näher das Wohngebiet an der Autobahn liegt, desto größer sind die sozialen Auswirkungen«, fasst Sigmar Gude vom Stadtplanungsbüro TOPOS das Ergebnis seiner Untersuchungen zusammen, in denen er die Folgen von Autobahnen unter die Lupe genommen hatte. Gude bezeichnet es als »sehr wahrscheinlich«, dass sich solche Prozesse soziostruktureller Abwertung auch entlang der künftigen A 100 entwickeln würden.
Dieses Fazit unterfüttert die Position der Linkspartei für den Abgeordnetenhauswahlkampf. »Wir wollen die Autobahn nicht, weil sie verkehrspolitisch unsinnig, nicht ökologisch und mit sozialen Verwerfungen verbunden ist«, bringt es die Verkehrsexpertin der Berliner Linksfraktion Jutta Matuschek auf den Punkt. Ziel sei es zudem, die Neubautrasse auf aktuelle Entwicklungen zu überprüfen. Schließlich zeigen neuere Prognosen, dass der Autoverkehr nicht mehr – wie noch in den 1990er Jahren angenommen – steigen, sondern in Zukunft sinken werde.
Die Argumentation vom Podium ist schlüssig kontra Autobahn. Trotzdem und des Heimspiels für Gesine Lötzsch in ihrem Lichtenberger Direktwahlkreis gibt es aber im Publikum neben Zustimmung auch deutlichen Widerspruch zum Ablehnungskurs der LINKEN. Axel Rackow, Ex-CDU-Baustadtrat und Verkehrswegeplaner, betont die Notwendigkeit eines Autobahnanschlusses für den Osten Berlins. »Wenn die Verlängerung bis Treptow nicht kommt, heißt das, dass viel Verkehr auf dem Adlergestell bleibt.« Einige lokale Lichtenberger Unternehmer und Bürger monieren ebenfalls die fehlende Autobahn-Anbindung Richtung Süden und Südwesten. An dieser Stelle zeigt sich, was bereits Umfragen offenbarten: Es gibt eine große Fraktion in der Stadt pro Autobahnverlängerung.
Ob die A 100 tatsächlich ein Protestpotenzial wie S 21 besitzt und als Zugpferd im Wahlkampf taugt? An diesem Abend in Lichtenberg gibt es darauf keine klare Antwort.
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