Prekär im Aufschwung

IG Metall schlägt Alarm: Wirtschaftswachstum geht an einem Großteil der Jugend spurlos vorbei

  • Hans-Gerd Öfinger, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz Wirtschaftsbelebung haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Jugend nicht verbessert. Dies ist das Ergebnis einer von der IG Metall vorgelegten Studie des Berliner Instituts TNS Infratest Politikforschung zur Lage und zu den Zukunftserwartungen der jungen Generation.

»Auch nach der Krise prägen Praktika, Leiharbeit und befristete Jobs zunehmend den Alltag junger Arbeitnehmer«, erklärte Detlef Wetzel, Vizevorsitzender der IG Metall, am Montag vor Journalisten in Frankfurt am Main. Prekarisierung sei kein vorübergehendes Phänomen, sondern »verfestigte Realität«. Sie steige weiter auf hohem Niveau an. So seien 54 Prozent der Erwerbstätigen unter 25 Jahren in Leiharbeit, befristeten Jobs und ABM-Stellen und damit prekär beschäftigt – neun Prozent mehr als im Krisenjahr 2009. 28 Prozent dieser Altersgruppe hätten im bisherigen Berufsleben nur befristete Jobs gehabt.

Der von Politikern und Unternehmern behauptete »Klebeeffekt« sei eine »Fata Morgana und Zweckpropaganda interessierter Kreise«, sagte Wetzel. Gegenüber 2009 sei die Chance der Übernahme aus der Leiharbeit heraus in eine unbefristete Stelle in der Kernbelegschaft gar von neun auf sieben Prozent gesunken. Der Berufseinstieg werde für eine ganze Generation zunehmend schwieriger, viele würden »abgehängt und an den Rand gedrängt«. Somit gehe der Aufschwung »an einem Großteil der Jugend spurlos vorbei«. Zudem sei ein Fünftel aller Beschäftigten unter 35 – zumeist unfreiwillig – in Teilzeit tätig. 88 Prozent der 20- bis 24-jährigen Teilzeitbeschäftigten wünschten sich eine Vollzeitstelle, so die Studie.

Darüber hinaus werde das in der jungen Generation steckende erhebliche Begabungs-, Arbeitskräfte- und Fachkräftepotenzial nicht hinreichend gefördert. Hauptschüler und Jugendliche aus Migrantenfamilien würden kaum in die betriebliche Weiterbildung einbezogen, bemängelte Wetzel.

Damit werde eine »zweite Bildungskatastrophe« besiegelt, warnte der Gewerkschafter vor einem Teufelskreis: »Die Hauptschulen haben versagt, die Unternehmen verweigern die Ausbildung und die Bundesagentur für Arbeit verwaltet die Jungen statt sie zu fördern.« Dies fördere Resignation und das Gefühl, abgehängt zu sein. Eine Diskussion über Fachkräftemangel sei »zynisch«, wenn ein Teil der Jugend erfahre, »dass sie gar nicht willkommen sind, am Arbeitsmarkt teilzunehmen«.

Die Zuversicht habe nur bei Jugendlichen mit höherem Bildungsabschluss zugenommen, liege jedoch bei Hauptschülern noch schlechter als 2009. Da 30 Prozent der jungen Menschen mit Hauptschulabschluss einen sozialen Abstieg erwarteten, beginne das Leitbild »Mir geht es mal besser als meinen Eltern« zu bröckeln.

Seine Forderung nach »dringendem Handlungsbedarf« belegte Wetzel mit der breiten Zustimmung der Befragten zu Forderungen an die Politik. So verlangten 89 Prozent eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 82 Prozent die Einführung von Mindestlöhnen und 71 Prozent die Begrenzung der Leiharbeit. »Wir können der Regierung nur empfehlen, Politik für die Mehrheit zu machen und nicht vorzugeben, für die junge Generation zu handeln«, warnte der Gewerkschafter. Schließlich kritisierten 89 Prozent der Befragten den zu starken Einfluss wirtschaftlicher Interessen in der Politik und fast drei Viertel lehnten das Kürzungspaket des Bundes und die Rente mit 67 ab.

Die IG Metall werde die Forderung nach Chancengleichheit und guter Arbeit für alle in Betrieb und Gesellschaft auf die Tagesordnung setzen. Dafür regte Wetzel die Einrichtung einer »Task Force Junge Generation an«. Dieses aus Vertretern von Politik, Gewerkschaften, Betroffenen und politischen Jugendverbänden zusammengesetzte Gremium müsse eine Bestandsaufnahme machen, Gesetze auf den Prüfstand stellen und Lösungsvorschläge entwickeln.

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