Schwarzarbeit trotz legaler Einreise

Verein engagiert sich für bessere Integration von Sinti und Roma in Berlin

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.
Sinti und Roma werden noch immer diskriminiert. ND-
Sinti und Roma werden noch immer diskriminiert. ND-

Eine Frau im langen Rock und mit einem Kleinkind an der Hand hält am Berliner Alexanderplatz im Bezirk Mitte Fußgängern einen Pappkarton entgegen. Sie bittet die Passanten um Geld. Die Frau gehört zur Gruppe der Sinti und Roma, die seit 1998 in der Bundesrepublik als Minderheit anerkannt sind. Mit der Erweiterung der Europäischen Union sind Millionen von ihnen Teil der Gemeinschaft geworden. Trotzdem werden sie nach wie vor diskriminiert – auch in Berlin.

Eine genaue Zahl, wie viele Sinti und Roma hier leben, gibt es nicht, da Statistiken nach der Nationalität und nicht nach der ethnischen Herkunft fragen. »Statistisch lassen sich Sinti und Roma nur schwer erfassen, da viele den deutschen Pass besitzen, andere sind wiederum Flüchtlinge oder Wanderarbeiter, die hier nicht gemeldet sind«, weiß Bosiljka Schedlich vom Verein Südost Europa. Die so genannte Freizügigkeitsrichtlinie, die es Sinti und Roma als EU-Bürger erlaubt, legal nach Deutschland einzureisen, bringt Probleme mit sich. Zwar erlaubt die Richtlinie die Einreise, doch gleichzeitig begrenzt sie den Aufenthalt auf drei Monate. Es sei denn, die Roma melden ein Gewerbe an oder weisen einen festen Job vor. Viele können dies nicht und bleiben nach Ablauf der Frist trotzdem. »Am Alexanderplatz werden sie als lästig empfunden, aber sie haben kaum eine andere Möglichkeit, als entweder schwarz zu arbeiten oder betteln zu gehen«, erläutert Schedlich gegenüber ND.

Der Verein kümmert sich berlinweit um Sinti und Roma. Oft werden Mitarbeiter von Behörden oder der Polizei hinzugezogen. Seit einigen Monaten wurden außerdem erstmals zwei Streetworkerinnen eingestellt, die vom Senat für Integration finanziert werden. Sie sollen Kontakt zu Familien herstellen und auch zwischen ihnen und beispielsweise den Behörden vermitteln. »Es ist uns gelungen, einigen Frauen eine Arbeit zu besorgen und deren Kinder in die Kita zu schicken. Allen können wir jedoch nicht helfen, dafür fehlen die Kapazitäten«, erklärt Schedlich. Um die Lage der Menschen zu verbessern, sei es nötig, dass Behörden, Vereine und Beratungsstellen künftig besser zusammen- arbeiten.

Im Bezirk Neukölln, wo es in der Vergangenheit Probleme zwischen Sinti und Roma und anderen Bevölkerungsgruppen gab, scheinen Kooperationen zwischen dem Bezirksamt, dem Verein Südost Europa und dem Quartiersmanagement gut zu funktionieren. »Wir hatten Probleme mit Wanderarbeitern, die in einem Wohnkomplex in der Ockerstraße gewohnt haben. Die Bewohner haben sich zunehmend über Schmutz und Gestank beschwert. Die Roma wiederum wurden ausgenutzt, indem sie rund 200 Euro für ein kleines dreckiges Loch bezahlen mussten«, sagt Arnold Mengelkoch, der Migrationsbeauftragte von Neukölln. Jetzt habe sich die Lage gebessert. Es wurden Sprachkurse organisiert und Kitas eingerichtet. Klar sei jedoch, dass Familien, die illegal hier sind, nicht von den Veränderungen profitieren. »Die ergreifen natürlich sofort die Flucht, wenn Polizei oder Jugendamt vor der Tür stehen«, so Mengelkoch. Das Problem verlagere sich dann nur auf einen anderen Bezirk oder auf eine andere Bleibe. Um die Lage der Sinti und Roma nachhaltig zu verbessern, sei es jedoch wichtig, sich auf die Bildung der Kinder zu konzentrieren. Das sei der Schlüssel zu einem besseren Leben für Sinti und Roma wie für andere auch.

  • Die Zahl der Sinti und Roma wird bundesweit auf rund 700 000 geschätzt. Mit acht Millionen Menschen stellen sie die größte Minderheit in Europa. Ihre gemeinsame Sprache heißt Romanes.
  • Während des Nationalsozialismus wurden über 250 000 Sinti und Roma in Konzentrationslagern ermordet.
  • Die frühere Bezeichnung »Zigeuner« wurde als diskriminierend empfunden und durch Sinti und Roma ersetzt.
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