Zukunft der NATO noch geheim
NATO-Generalsekretär zu Gast bei einer Konferenz der Grünen
»Die NATO war und ist ein Instrument für den Frieden und wird es auch in Zukunft sein«, versichert Anders Fogh Rasmussen, der Generalsekretär der NATO. Ein leichtes Raunen geht durch den Saal, und man wüsste gern, wie viele Teilnehmer der Konferenz »Wohin mit der NATO? Relikt des Kalten Krieges oder Instrument für den Frieden?«, zu der die Grünen ins Reichstagsgebäude eingeladen hatten, ihm wohl glauben. Es mögen mehr sein als man denkt, scheinen bei den Grünen zumindest jene zu schwinden, die die NATO für eine gänzlich überflüssige Institution halten. Aber es gibt sie noch. Christian Ströbele ist mit dabei, und ein Vertreter der Friedensbewegung aus Mönchengladbach fragt, warum man die Aufgaben der NATO nicht einfach an die UNO übertragen könne. Manche im Publikum applaudieren stets, sobald die UNO nur erwähnt wird, als handele es sich dabei um eine unfehlbare Ansammlung guter Seelen.
Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, bemerkt, dass keiner der Sachverständigen, die im Auftrag der im Bundestag vertretenen Parteien das neue NATO-Strategiepapier prüften, die Organisation für überflüssig erklärt habe.
Dass sich der NATO-Generalsekretär zur Konferenz persönlich ankündigte, hält Frithjof Schmidt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, der auch den erkrankten Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin vertritt, für eine »Anerkennung der grünen Streitkultur«. Das klingt so, als hätten die Grünen immer nur darüber gestritten, ob man Krieg führen darf, und es nicht längst selbst getan.
Wer sich erhofft hatte, bei der Konferenz das noch geheime strategische Konzept präsentiert zu bekommen, das beim NATO-Gipfel in Lissabon im November verabschiedet werden soll, wurde schwer enttäuscht. Die anwesenden Parlamentarier, die darin lesen durften, äußerten sich nicht euphorisch: Es berge keine Sensationen und weiche nicht wesentlich von den Vorschlägen der Expertenkommission unter Leitung der früheren US-Außenministerin, Madeleine Albright, ab.
Partei- und institutionsübergreifend scheint man sich über die zu klärenden heiklen Punkte einig zu sein, wie auch die Fragen zeigten, über die bei der Konferenz diskutiert wurde: Wen verteidigt die NATO künftig, wer sind ihre Feinde? Wie soll das Verhältnis zu Russland aussehen, wie das zu China, Indien und anderen Staaten? Was sollen die originären Aufgaben der NATO sein, in Abgrenzung zur UNO und zur EU? Wie steht es um die (nukleare) Abrüstung und die geplanten Raketenabwehrsysteme? Wie geht man um mit Terrorismus, Cyberwar, Zerstörung der Umwelt und dem Kampf um Ressourcen?
»Wenn Bündnispartner mit Gefahren konfrontiert sind, bedeutet das noch lange nicht, dass die NATO einschreiten muss«, sagt Rasmussen und das soll wie eine Beruhigung klingen. Er spricht ausgiebig über die NATO als Forum, das globale Partner zu Beratungen zusammenbringt, über das gemeinsame Interesse von NATO, EU und Russland, gegen die Schlechtigkeiten der Welt vorzugehen. Nur konkret wird er selten. Er erhoffe sich vom Gipfel in Lissabon, die Einrichtung eines NATO-Raketenabwehrsystems unter Kooperation Russlands möge beschlossen werden. Und er versichert, die vorrangige Bedeutung der UNO unter den transnationalen Mächten werde in dem Papier festgeschrieben werden – doch widerspreche dem nicht, dass die NATO ebenfalls hier und da mitmische. Was Russland betrifft, so macht er deutlich, dass er zwar eine »strategische Partnerschaft« mit Russland anstrebt, sich das Land aber als vollwertiges Mitglied noch nicht so recht vorstellen kann.
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