Sitzungsmarathon ohne Ergebnis
Nagoya: Industriestaaten blockieren Fortschritte auf Biodiversitätsgipfel
»Die erste Verhandlungswoche in Nagoya hat keinerlei konkrete Fortschritte gebracht«, beklagt Theo Oberhuber von der spanischen Umweltorganisation Ökologen in Aktion. Oberhuber betont, dass laut UN-Bericht zur Biodiversität der Artenvielfaltsverlust so schnell voranschreitet, dass die Krise bald nicht mehr umkehrbar sei. Die Verhandlungen auf Ministerebene ab Mittwoch müssten zu Maßnahmen führen, die die Verantwortung der reichen Länder gegenüber Afrika, Asien und Lateinamerika widerspiegelten.
Die japanische Metropole ist Gastgeber der 10. Gipfelkonferenz der UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD). Bis Freitag diskutieren die 193 Unterzeichner, wie der Verlust von Tier- und Pflanzenarten gebremst werden kann. Mit dabei sind Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und eine Unternehmerlobby, die sich dafür einsetzt, dass der Verwertbarkeit biologischer Rohstoffe keine Grenzen gesetzt werden. Nicht anwesend dagegen sind die USA, die den Vertrag, der auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 erarbeitet wurde, nicht unterzeichnet haben.
Der Sitzungsmarathon begann am 4. Oktober mit den Gesprächen über das Cartagena-Protokoll zur biologischen Sicherheit. Es ist das einzige international verbindliche Gesetzeswerk, das im Fall von Unfällen beim grenzüberschreitenden Handel mit genetisch veränderten Organismen (GVOs) zur Anwendung kommt. In mühsamen Vorverhandlungen war ein Zusatzprotokoll formuliert worden, demzufolge jeder Staat die Schadensverursacher – u. a. Gentechkonzerne wie Monsanto – zur Rechenschaft ziehen darf. Darüber hinaus können Staaten Vorsorgemaßnahmen verlangen, ohne dass dies von Firmen oder Ländern als Handelshemmnis beanstandet wird. Nach langem Hin und Her endete die erste Woche (MOP-5) mit der Unterzeichnung des Nagoya-Kuala-Lumpur-Zusatzprotokolls.
Allerdings haben Länder wie Brasilien, das als Großexporteur von Gensoja Wettbewerbsnachteile fürchtet, Verzögerungen durchgesetzt: So sollen zunächst noch wissenschaftliche Studien vorgenommen werden. Und die von Ökologen geforderte obligatorische Versicherung von GVO-Frachten ist zwar vorgesehen, aber nur als Kann-Bestimmung.
Unmittelbar danach begann die zweiwöchige COP-10, in der die CDB-Grundsätze diskutiert werden. Eins von drei zentralen Themen ist ein Maßnahmenkatalog, mit dem bis 2020 dem Verlust biologischer Vielfalt Einhalt geboten werden soll. Bereits im Jahr 2000 war ein Zehnjahresplan verabschiedet worden, dessen Ziele aber nicht erreicht wurden.
Es geht um die Schaffung von Naturschutzgebieten, die Einschränkung der Abholzung oder den nachhaltigen Umgang mit Bioressourcen. Umweltverbände beklagen nicht nur die »Bremserfunktion« von Kanada, Japan und Australien, die Schutzmaßnahmen aus Angst vor Wirtschaftseinbußen blockieren. Auch die EU sei nicht zu Zugeständnissen bereit, so die Ökologen in Aktion.
Das zweite zentrale Thema ist das »ABS-Protokoll«, das den Zugang zu sowie eine gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung von Ressourcen regeln soll. Es ist ein Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern des Südens, in denen der größte Teil der Biodiversität zu finden ist, und den reichen Ländern, die auf diese Rohstoffe zurückgreifen.
Besonders die Pharma- und Kosmetikbranche basiert auf diesen Ressourcen, die sie oft mittels Biopiraterie beschafft. Die CDB legt aber fest, dass Ressourcen nicht ohne Zustimmung der Ursprungsländer verwertet werden dürfen. Zwar gelang es dem Süden in letzter Zeit, Verhandlungen über verbindliche Regeln auf den Weg zu bringen und auch die Interessen von Indígenas und Gemeinden einzubeziehen. Doch Konzerne, »Bremserländer« und die EU stellen sich weiter quer.
Ähnlich umstritten ist die Frage der Finanzierung. Auch hierbei geht es um Zugeständnisse seitens der entwickelten Länder, die aus Sicht des Südens die Mittel und die ökologische Verantwortung haben, Maßnahmen zu Umweltschutz und biologischer Vielfalt zu bezahlen.
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