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Wasserbegehren voll im Fluss

Bürgerinitiative sammelt weit über 200 000 Unterschriften / Heute Übergabe der Signaturenlisten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Telefon klingelt – pausenlos. Auf dem Schreibtisch steht eine Wasserflasche mit dem Logo eines Haifisches unter einem Wasserhahn. »Wasserprivatisierung? Nein Danke!« steht darauf. Am Rechner im Büro sitzt Thomas Rudek, der Sprecher der Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch«. Er greift zum Hörer, beantwortet Interviewanfragen, erklärt Bürgern, wo es noch die Möglichkeit gibt, das Volksbegehren »Schluss mit den Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« zu unterzeichnen. Zwischendurch scherzt er – und lächelt.

Alle Anwesenden hier im Hauptquartier der Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch«, das sich im Büro der Grünen Liga in Prenzlauer Berg befindet, freuen sich. Denn vor ihnen stapelt sich die Post, in der noch mehr Unterschriftenlisten stecken. »Weit über 200 000 Unterschriften haben wir beisammen«, sagt Rudek. Dazu kämen noch die verschlossenen Briefe und vor allem die Unterschriften aus den Bürgerämtern.

Das heißt: Selbst wenn wie immer zehn Prozent der Unterschriften ungültig sind, hat die kleine Initiative mit ihren Verbündeten von Verbraucherzentrale, Attac, Kirchen und Privatisierungsgegnern das Nicht-für-möglich-gehaltene geschafft. Es wird mit aller Wahrscheinlichkeit einen berlinweiten Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) geben. 172 000 Unterschriften wären dafür nötig gewesen, das Wasserbegehren könnte sogar mehr Unterschriften als seine von großen Organisationen unterstützen Vorgänger Pro Reli und Tempelhof gesammelt haben. Heute sollen die Listen der Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach vor der Senatsverwaltung für Inneres übergeben werden. »Direkte Demokratie kann auch ohne großes Geld und ohne teure Imagekampagnen gelingen«, sagt Rudek dazu.

Dass es so kam, ist zuallererst ein Erfolg der Bürger, die loszogen, um Signaturen zu sammeln. So wie Peter Wiedeer. Der ältere Herr hat 35 Unterschriftenbögen mit jeweils sechs Signaturen dabei, um sie hier bei der Grünen Liga abzugeben. Die hat er allein in seiner »Kolchose«, also seinem Schrebergarten in Pankow-Heinersdorf gesammelt. Einfach war das nicht, berichtet er, viele Laubenpieper hätten sich beschwert, dass sie das Volksbegehren mit Geburtsdatum und Adresse unterzeichnen mussten. Dennoch sei der Unmut gerade bei den Kleingärtnern groß über die zu hohen Wasserpreise, sagt Wiedeer.

Die Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch« hofft nun auf einen erfolgreichen Volksentscheid. »Am liebsten wäre uns ein Termin Ende Februar«, sagt Thomas Rudek. Als »unfair« würden er und seine Mitstreiter dagegen einen Termin an einem Adventswochenende sehen. Drei bis zehn Tage wird die Auszählung der Unterschriften bei der Landeswahlleiterin dauern. Dann hat der Senat 14 Tage Zeit, um einen Termin innerhalb von vier Monaten für das Volksbegehren zu benennen. Die Hoffnung des Wassertisches ist es, dass im Erfolgsfall nach einer Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der BWB, Vertragsklauseln juristisch angefochten werden können und somit eine verbraucherfreundliche, kostengünstige Rekommunalisierung der BWB möglich wird.

Ein Ansinnen, dass auch der rot-rote Senat nicht mehr gänzlich ausschließt. Selbst der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält einen Rückkauf der privatisierten Anteile der BWB für denkbar. »Es wäre möglich, den Kaufpreis über die Rendite auf das Eigenkapital zu finanzieren«, erklärte Wowereit im »Tagesspiegel«. Ein SPD-Landesparteitag soll Mitte November über Rekommunalisierungen entscheiden.

Die bisherige Linie des Senats war, über das vor der Sommerpause eingeführte Informationsfreiheitsgesetz (IFG) eine Veröffentlichung der Verträge zu erzielen. Außerdem sollten die privaten Investoren Veolia und RWE in Gesprächen dazu bewegt werden, ihre Gewinnanteile zu schmälern, damit die Wasserpreise gesenkt werden können. Dafür waren Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) mehrmals mit den Privaten zusammen getroffen. Doch die Gespräche stocken. »Wir haben uns nicht verständigen können«, erklärte Nußbaum gestern.


Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB), bundesweit eines der größten Unternehmen in der Branche, wurden im Jahr 1999 teilprivatisiert: Ein Konsortium aus RWE und Veolia (damals zudem noch Allianz) erwarb 49,9 Prozent der Anteile für rund 1,7 Milliarden Euro vom Land Berlin.

Besonders umstritten sind die lange Vertragslaufzeit der Teilprivatisierungsverträge (nächster Kündigungstermin 2028) und die garantierten Gewinne für private Investoren: Ihnen wurden unter anderem eine jährliche Verzinsung auf das betriebsnotwendige Kapital zugesprochen.

Im Gegenzug versprachen die Privaten, die Preise bis 2004 stabil zu halten und 15 Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Seit 2004 stiegen die Preise laut Berliner Wassertisch um 35 Prozent. Das Bundeskartellamt prüft nach einem ähnlichen Urteil in Hessen zurzeit die Höhe der Berliner Wasserpreise.

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