Seifenoper schafft Arbeitsplätze

Für SAT.1 wird in einer alten Strausberger Kaserne eine Fernsehserie gedreht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Dreharbeiten für »Hand aufs Herz« mit den Darstellern Oliver Petszokat und Vanessa Jung
Dreharbeiten für »Hand aufs Herz« mit den Darstellern Oliver Petszokat und Vanessa Jung

Seit Anfang Oktober läuft auf dem Fernsehkanal SAT.1 die tägliche Serie »Hand aufs Herz«. Sie spielt in Köln. Aber produziert wird der Endlosstreifen in einer einstigen Strausberger Militärkaserne.

Der gedankliche Ausgangspunkt ist nicht gerade aus dem Leben gegriffen: Junglehrerin (verkörpert von Vanessa Jung) kehrt an ihre Pestalozzi-Gesamtschule zurück, wo sie einst verdächtigt wurde, eine Schülerin ermordet zu haben. Die Sportlehrerin ist die Zwillingsschwester der vermeintlich Ermordeten und böse Gegenspielerin der Junglehrerin. Die geht ein intimes Verhältnis mit einem jungen Mann ein, bis sich herausstellt, dass er einer ihrer Schüler ist, und so weiter.

Mit rund zwei Millionen Euro Fördermitteln unterstützt das Land Brandenburg die Täglich-Serie, wurde gestern bekannt gegeben. Allerdings ist die Zusage Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) zufolge an den Beweis gebunden, dass sich das Unternehmen halten kann. 250 Folgen sind zunächst eingeplant. Wenn die Quote stimmt, gibt es mehr.

Die Serie »Gute Zeiten – Schlechte Zeiten«, die in den Babelsberger Studios entsteht, hat es inzwischen auf 18 Jahre gebracht. Ein Film-Monat kostet rund eine Million Euro. Vor allem Werbeeinnahmen sollen die Kosten mehr als decken. Laut Medienboard Berlin-Brandenburg waren die Werbeeinnahmen im Jahr 2000 allerdings höher als 2009. Die Branche müsse den Gürtel enger schnallen.

Der leitende Geschäftsführer der Produktionsfirma »Producers at Work«, Christian Popp, sagte, dass im Rahmen des neuen Schulfilmprojektes 125 neue Arbeitsplätze in Strausberg entstanden seien, die Schauspieler eingeschlossen. Auf die Frage, ob die Filmschüler immer nur schauspielern dürfen und nicht auch mal in eine richtige Schule müssen, hieß es, sie seien alle älter, sehen aber jünger aus. Lediglich eine 17-Jährige habe sich für ein Jahr von der Schule beurlauben lassen. Für die Dreharbeiten sei eine einstige NVA-Kaserne für rund eine halbe Million Euro umgebaut worden. Von den 350 allein in Brandenburg leer stehenden echten Schulgebäuden genügte keines den Ansprüchen der Produzenten. Vor dem Umbau der Kaserne mussten Waschbären, Marder und anderes Getier aus dem seit Jahren verwaisten Gebäude vertrieben werden. Kästen an den Fenstern können auch mal Mondlicht in der »Schule« aufscheinen lassen – denn gelegentlich soll es in der Serie auch eine Schuldisko geben. Zur Kulisse gehören Sportplatz, Schulhof und Lehrerparkplatz.

Minister Christoffers hob die wirtschaftliche Bedeutung der Standortentscheidung für die Region hervor. Längst sei Babelsberg nicht mehr der einzige Filmort des Bundeslandes. Leider seien die Umsätze in diesem Bereich rückläufig, was aber »nicht allein ein brandenburgisches Phänomen« sei. Christoffers fügte hinzu, dass Brandenburg eine ähnliche Produktion, die ZDF-Seifenoper »Hanna, folge deinem Herzen«, kürzlich an Nordrhein-Westfalen verloren habe. Der Medienmarkt sei hart umkämpft.

Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadler (parteilos) freute sich gestern über den Wirtschafts- und Werbefaktor für ihre Stadt. Zu rechnen sei mit einem Fantourismus zum Set. »Sie reisen mit der S-Bahn an und verjüngen unser Stadtbild. Das tut Strausberg gut.«

Warum Brandenburg das Werk fördere, aber Köln darin angepriesen werde, erklärten die Akteure damit, dass man die Serie in einer deutschen Großstadt hatte ansiedeln wollen, Berlin jedoch nicht in Frage gekommen sei. Denn in diesem Falle hätten alle einen Rütli-Schul-Report erwartet, den aber will »Hand aufs Herz« nicht bieten. Die Produzenten geben an, dass die seit Anfang Oktober gesendeten Folgen täglich rund 700 000 Zuschauer haben.

Seine Zielgruppe sucht der Privatsender SAT.1 bei Menschen zwischen 11 und 49 Jahren. Diese Altersgruppe gilt als empfänglich für Werbung.

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