Komasaufen ist »ätzend«
Neuköllner Schülerinnen gewinnen bundesweiten DAK-Wettbewerb gegen Alkoholmissbrauch
Ein junges Mädchen liegt am Boden. Neben ihr läuft der Alkohol aus der Flasche. Hinter den erschrockenen Freunden lauert bereits der Sensenmann. Dieses eindrucksvolle Bild, gemalt von zwei Neuköllner Schülerinnen des Albert-Einstein-Gymnasium, hat den ersten Platz im bundesweiten Plakatwettbewerb gegen das Komasaufen belegt. Der Wettbewerb war von der DAK-Krankenkasse initiiert worden. Im Albert-Einstein-Gymnasium eröffnete am Dienstag die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, zusammen mit der DAK die Wanderausstellung »bunt statt blau«, die in Schulen in 16 Bundesländern ausgestellt werden soll.
»Ich habe die Schirmherrschaft übernommen, weil ich denke, dass Bilder von Jugendlichen mehr aussagen als 1000 Worte von Erwachsenen«, sagte Mechthild Dyckmans. Es gehe nicht darum, den Jugendlichen etwas zu verbieten. Sie selbst trinke gerne mal ein Bier im Sommer oder auch ein Glas Wein zu einem guten Essen. »Aber in Maßen«, so Dyckmans. Eine Erhöhung der Tabak- und Alkoholsteuer begrüße sie zwar, weil dadurch weniger Jugendliche rauchen und trinken würden, wichtig sei aber, dass »Jugendliche aufeinander Acht geben, die Eltern mit ihren Kindern über Sucht und Alkoholmissbrauch diskutieren und die Schule über Gefahren und Risiken aufklärt«.
»Mit einem erhobenen Zeigefinger erreicht man bei Schülern nur das Gegenteil, daher haben wir uns entschieden, für unsere Kampagne Schüler mit einzubinden«, erklärte DAK-Sprecher Martin Plass. Ziel sei zu erreichen, dass alle unter 16-Jährigen gänzlich auf Alkohol verzichten und Ältere bewusst und selbstbestimmt mit Alkohol umgehen, heißt es bei der DAK.
An der Aktion beteiligten sich 8000 Schüler im Alter von 12 bis 17 Jahren. Unter allen Künstlern wurden 16 Landessieger ermittelt. Mit dem ersten Platz rechnete Daniela Herbst indes nicht. »Es gibt viele gelungene Bilder, meine Projekt-Partnerin Janine Conrad und ich waren ganz erstaunt über den Sieg«, sagte die 17-Jährige. Komasaufen sei zwar in ihrem Umfeld kein Problem, dennoch sei es wichtig, Gleichaltrige darauf aufmerksam zu machen. »Wir wollen andere für das Thema sensibilisieren. Auch wenn exzessives Trinken nicht immer mit dem Tod enden muss.« Von ihrem Preisgeld über insgesamt 1000 Euro spendeten die Schülerinnen jeweils 100 Euro der Schule.
Für den Schulleiter Holger Ambrosius bedeutet die Beteiligung am Wettbewerb viel mehr, als die Schüler »nur« vor Drogenmissbrauch zu warnen. »Projekte, die über die schulischen Leistungen hinaus gehen, sind ungemein wichtig«, weiß der Schulleiter. Schule bedeute nicht nur Noten, Klausuren und Druck, sondern auch Aktivitäten und Talente der jungen Menschen zu erkennen. Das sei nur möglich, wenn die Lehrer mehr tun als nur das Nötigste. Gleichzeitig kritisierte Ambrosius die Verkürzungen der Schulzeiten.
Um Jugendliche nachhaltig zu schützen, seien einerseits die Eltern gefordert. Andererseits müsse sich das Verständnis darüber, was »cool« ist, bei den Jugendlichen selbst ändern, so Ambrosius.
Hintergrund der Kampagne seien die erschreckenden Zahlen über Kinder und Jugendliche, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden sind, so die DAK. Im Jahr 2008 wurden 25 700 bundesweit stationär behandelt. In Berlin waren es 424. Bundesweit sei die Zahl von 2000 bis 2008 auf 170 Prozent angestiegen, in Berlin auf 120 Prozent. »Komasaufen ist eine moderne Erscheinung, die es so früher nicht gab«, versicherte Plass. Laut einer DAK-Studie bekennen sich 40 Prozent der Schüler offen dazu, regelmäßig exzessiv zu trinken. »Mit der Wanderausstellung soll gezeigt werden, wie ›ätzend‹ Komasaufen ist.«
Ausstellung noch bis 5. 11., mo. bis fr. zwischen 9 und 13 Uhr, Albert-Einstein-Gymnasium, Parchimer Allee 109, Berlin-Neukölln
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