Zahl der Obdachlosen steigt

Kältehilfe öffnet ab 1. November zusätzliche Unterkünfte / Angebot an Betten bleibt trotzdem knapp

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.

Sonnige und milde Tage, wie es gestern einer war, werden demnächst wohl seltener. Schon jetzt sinken die Temperaturen in der Nacht erheblich. Ein Problem, mit dem besonders Obdachlose zu kämpfen haben. Ab kommenden Montag bieten die Berliner Kältehilfe-Einrichtungen Wohnungslosen daher wieder ein Dach über dem Kopf. Zwischen 300 und 400 Betten stehen in diesem Winter in Notübernachtungen und Nachtcafés zur Verfügung. Hinzu kommen Wärmestuben, Suppenküchen und andere Anlaufstellen.

Insgesamt gibt es 14 Notunterkünfte, die ganztags offen haben, darunter zwei Einrichtungen, die ganzjährig Hilfe bieten. »Außerdem sind im gesamten Stadtgebiet über 90 Kirchengemeinden und Einrichtungen der Caritas, Diakonie, des DRK und anderer Wohlfahrtsverbände in das Netzwerk der Kältehilfe eingebunden«, erklärte Susanne Kahl-Passoth von der Diakonie. Die Finanzierung der Kältehilfe erfolgt durch die Träger, den Senat, durch die Bezirke und durch Spenden. Doch die Gelder sind knapp.

Wie der harte Winter im letzten Jahr gezeigt hat, reiche das Angebot nicht. Die Zahl der Hilfe suchenden Menschen stieg um 14 Prozent. In diesem Jahr habe sich auch die Zahl der Wohnungslosen erhöht. »Wir gehen von rund 11 000 Wohnungslosen in Berlin aus, im letzten Jahr waren es etwa 10 000«, so Kahl-Passoth. Eine genaue Zahl gebe es nicht, »um besser arbeiten zu können, fordern wir den Senat auf, eine genaue Erhebung durchzuführen«, sagte Kahl-Passoth.

Ob die Eiseskälte, die vergangenen Winter mindestens drei Obdachlosen das Leben kostete, in diesem genauso lange anhält, wird sich zeigen. Mit einer »entspannten Lage« ist allerdings nicht zu rechnen. »In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben wir 18 060 Übernachtungen gehabt. Das sind 1800 Menschen mehr als im Vorjahr«, weiß Jürgen Mark, Leiter des Übernachtungsheimes in der Charlottenburger Franklinstraße. Die Unterkunft, die das ganze Jahr über offen steht, bietet 73 Betten, die auf drei Etagen verteilt sind. Acht Betten sind für Frauen reserviert, »die Zimmer für die Frauen können nur von innen geöffnet werden, so schützen wir die Hilfesuchenden«, sagte Jürgen Mark.

Neben der Primärversorgung wie Essen, Trinken, Duschen und Schlafen versuche man, mit Fachberatungen die Situation der Einzelnen zu verbessern. Um den persönlichen Umgang miteinander zu stärken, seien jedoch mehrere kleinere Einrichtungen nötig, meinte Jan Markosky. Er war selbst lange Zeit obdachlos. Jetzt lebt er von Hartz-IV und engagiert sich in Obdachlosen-Zentren.

Ein persönlicher Umgang sei zwar wichtig, aber nicht immer zu leisten, sagte hingegen Ortrud Wohlwend von der Stadtmission. »Das Bezirksamt Mitte übernimmt die Finanzierung für 60 Betten. Letzten Winter kamen aber bis zu 180 Menschen, die Schutz gegen die Kälte gesucht haben.« Abgewiesen werde niemand, auch wenn die Situation grenzwertig wird. Schließlich gehe es darum, Menschen vor dem Erfrieren zu bewahren, so Wohlwend.

www.kaeltehilfe-berlin.de

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