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Politischer Druck durch Druckerpatronen

Bombenfunde in Frachtflugzeugen – Politiker geben Rätsel auf, die Ermittler nicht lösen können / Viele Worte um Altbekanntes – doch nicht nur Al Qaida nutzen die Debatten um die neuerlichen Terrorattacken

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein bekanntes Puzzle-Szenario: Der wichtigste Mann der Welt – seit einiger Zeit heißt er Barack Obama – stellte sich hin und erklärt der Welt, es sei in letzter Minute gelungen, einen neuerlichen verheerenden Terroranschlag von Islamisten abzuwehren. Die Folge: Europäische Verbündete und deren Sicherheitsbehörden müssen fehlende Puzzle-Teile schnitzen.

Gewarnt wurden die USA von Muhammad Bin Nayef. Der saudische Prinz ist in seinem Geheimdienst verantwortlich. Er »kann gut« mit Obamas Sicherheitsberater John Brennan. Brennan hatte einst die CIA-Niederlassung im saudi-arabischen Einflussgebiet geleitet. Der Prinz übermittelte die Nummern von zwei (?) explosiven Pakete und informierte Brennan wohl auch darüber, dass der Sprengstoff als Toner für Patronen von HP-Laserdruckern getarnt ist. Ob er auch den Namen von Jabr al-Faifi erwähnte? Immerhin, die vermutliche Quelle der Warnungen ist den USA ohnehin bekannt (siehe links).

Briten waren zu langsam

Doch kaum hatte der US-Präsident am 29. Oktober die Haus-Presse über die neue »glaubwürdigen terroristische Bedrohung« informiert und erklärt, dass man in Dubai und Großbritannien »offensichtlich« Luftfracht-Bomben entdeckt habe, ging es los mit den Problemen in Europa. Die Briten, die eine avisierte UPS-Maschine auf dem East-Midlands-Airport bei Nottingham durchsucht hatten, fanden keine Explosivstoffe an Bord. Seltsam! Dabei war das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) doch so sicher, dass das sprengstoffgefüllte Paket an Bord dieser Maschine sein muss. Schließlich sei das Paket ja in Köln/Bonn umgeladen worden.

Wieso hat man es nicht selbst gesichert? Weil die Nachricht über die gefährliche Fracht das BKA erst erreichte, als die Maschine schon in der Luft war, hört man. Die Zeitfrage ist so interessant wie unbeantwortet. Wollte da jemand, dass die Gefahr grenzüberschreitend publik wurde? Misstraute der Tippgeber dem deutschen Innenminister, weil Thomas de Maizière und die Chefs von Bundesnachrichtendienst wie BKA gerade in den vergangenen Wochen immer wieder vor unnötigem und damit kontraproduktivem Alarmismus gewarnt hatten?

Kurzum, es dauerte ein wenig, dann hatten auch die Briten begriffen, dass Sprengstoff an Bord sein musste. Schließlich hatten die USA auf Basis der saudischen Hinweise ja auch schon den Absender der Lieferung ausgemacht: Al Qaida in Jemen. Wie einst in Afghanistan entsteht da eine Gefahr, die – so lässt man durchblicken – strenge westliche Reaktionen erfordern.

Weniger geredet wird über den Adressanten der gefährlichen Druckerpatronen. Es soll sich um eine jüdische Einrichtung in Chicago handeln. Dort habe man vermehrt Interesse an den eigenen Internetseiten bemerkt. Die »Klicks« seien aus Ägypten gekommen, wurde kolportiert. Mitte September hätten US-Dienste drei verdächtige, doch vom Inhalt harmlose Pakete »am Zielort Chicago« abgefangen.

Kolportiert und vermutet wird vieles. Auf dieser schwachen Basis entwickeln auch deutsche Politiker abenteuerliche Vorschläge. Zum Beispiel beim Thema Kontrolle der Luftfracht. Die Union will der Bundespolizei mehr Verantwortung überhelfen. Obwohl die dafür gar nicht gerüstet ist.

Dabei ist doch schon seit Jahren klar, dass die globale Frachtbeförderung ungleich weniger kontrolliert wird als die Passagiere. Nur zehn Prozent der Luftfracht werden in Deutschland bisher untersucht. Auch die Fracht, die durch normale Passagiermaschinen befördert wird – rund 22 Prozent –, ist fast unkontrolliert. Die Luftfahrtorganisation IATA hat die fehlenden internationalen Regeln schon häufiger beklagt, denn die Regierungen interpretieren die 1974er Konvention zur Flugsicherheit unterschiedlich. Das erschwere den Gesellschaften das tägliche Geschäft und treibe die Kosten. Die Airlines wollen so viel wie möglich aus dem Frachtgeschäft herausholen und fürchten bei langen Kontrollen den Verlust der einträglichen Just-in-time-Schnelligkeit.

Lücken bei der Luftfracht

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 3 243 083 Tonnen Luftfracht bewegt. Für dieses Jahr rechnet man mit einem Zuwachs von rund 25 Prozent. Dass die Gefahren damit gleichfalls steigen, dürfte logisch sein. Lufthansa Cargo, das größte deutsche Luftfrachtunternehmen, hat sich daher bereits 2006 mit einem Positionspapier abgesichert: »Das Wissen, dass reine Frachter weniger gesichert sind, würde das Risiko erhöhen, dass sie für terroristische Zwecke genutzt würden.«

Gut fünf Jahre nach dem Angriff vom 11. 9. 2001 wehrte die Bundesregierung gemeinsam mit der EU Forderungen der USA ab. Washington hatte verlangt, dass die gesamte Seefracht mit Ziel USA sowie alle mit Passagierflugzeugen beförderte Luftfracht in Europa zu durchleuchten ist. Die Antwort der Großen Koalition auf eine entsprechende Parlamentsanfrage lautete 2007: »Die Bundesregierung sieht in den zu erwartenden Auswirkungen des 9/11-Gesetzes eine unverhältnismäßige Belastung der exportierenden Wirtschaft ohne adäquaten Sicherheitsgewinn.« Das ist – wie man beim nun angeblich beförderten PETN-Sprengstoff sieht, der kaum erkennbar ist – nicht falsch. Doch war das Argument nicht das maßgebende.

Die EU hat ihrerseits in der Verordnung 2320 festgeschrieben: »Ladung, die auf reinen Frachtflügen befördert wird, muss nicht kontrolliert werden, wenn der Versender bekannt ist.« Entsprechend der Verordnung müssten rund 25 000 Unternehmen in Deutschland bis Anfang 2013 entsprechende Sicherheitsprogramme vorlegen, die durch lückenlose Kontrollen einen sicheren Transport von Fracht garantieren.

Mal abgesehen vom Zukunftscharakter der Maßnahme – es ist fraglich, ob so ein Zertifikat für »bekannte Versender« etwas bewirkt. Ausgestellt wird es beim Luftfahrtbundesamt. Die Behörde soll auch kontrollieren, dass alle Mitarbeiter, die mit der zu verschickenden Ware in Kontakt kommen, sicherheitsüberprüft sind und alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Wenn man einen Vergleich bemühen möchte, dann wohl am ehesten den zum neuen Waffenrecht. Überforderte Mitarbeiter von Ordnungsämtern sollen die Einhaltung kontrollieren und so Amokläufe verhindern.

Um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, dass außer Al Qaida niemand vom neuen Terror-Alarm profitieren würde – die Bundesregierung wird schon Nutzen daraus ziehen können. In Deutschland laufen Ende kommenden Jahres die 2001 beschlossenen und 2006 verlängerten Terror-Gesetze aus. Als man sie vor rund fünf Jahren schon einmal auf ihre Tauglichkeit untersuchte, konnte man auf die beiden erwischten Kofferbomber verweisen. Das ist kein Grund für Verschwörungstheorien. Wohl aber interessant.

Gesetze müssen zum TÜV

Bald müssen das sogenannte Terrorismusbekämpfungsgesetz, das Gemeinsame-Daten-Gesetz und etwas später auch das BKA-Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus zum fachlich-politischen TÜV. So steht es im Gesetz. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag findet man, dass das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten zur Mitte der Legislaturperiode untersucht werden muss. Die Evaluierungen geschehen im Geheimen. Die Öffentlichkeit erfährt nicht einmal, wer sich an der (im Bundesanzeiger von 27. Juli 2010, Seite 2579 veröffentlichten) Ausschreibung zu diesen externen Evaluierungen beteiligt.

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