Ein moderner Mythos
Olivier Assayas über »Carlos«, der ein Söldner war, kein Führer
Olivier Assayas, geboren am 25. Januar 1955 als Sohn des Regisseurs Jacques Rémy in Paris, ist seit Mitte der 1980 Jahre als Drehbuchautor und Regisseur aus der französischen Filmszene nicht mehr wegzudenken. Für André Techiné schrieb er 1986 die Vorlage für »Schauplatz des Verbrechens«, sein eigenes Debüt gab er im gleichen Jahr mit »Lebenswut«. 1992 wurde er mit dem Prix Vigo für »Paris erwacht« geehrt, sein kommerziellster Erfolg war »Irma Vep« mit Maggie Cheung. Hinter »Carlos – der Schakal« steht neben Produzenten aus Frankreich auch der Berliner Produzent Jens Meurer.
ND: Was hat Sie an der Persönlichkeit von Ilich Ramírez Sánchez alias Carlos fasziniert?
Assayas: Er verkörpert einen modernen Mythos. Was wir von seinem Leben wissen, klingt abenteuerlich. Er stammt aus Lateinamerika, wurde dort und in Großbritannien politisiert und hat in Europa agiert. Er war der erste global agierende Terrorist, der in die geopolitischen Konflikte der 1970er und 1980er Jahre verwickelt war.
Um seine Persönlichkeit ranken sich viele Legenden. Wonach haben Sie gewichtet?
Meine Intention war, präzise zu sein, ganz an den Fakten zu bleiben, so realistisch wie nur möglich zu sein. Alle Szenen mit Mitarbeitern der Stasi und des ungarischen Geheimdienstes basieren zum Beispiel auf den Akten. Ich habe sie gekürzt, aber ich habe mir nichts ausgedacht. Es ging mir aber nie darum, ihn und seine Umgebung anzuklagen, sondern sie als menschliche Individuen zu zeigen. Ich vertraue da auf mein Publikum, das doch alleine beurteilen...
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