Bildungsrauschen
Sexueller Missbrauch: Sensibilität gefragt
Seit der Aufdeckung von Fällen sexuellen Missbrauchs in Schulen fragen sich auch Lehramtsstudenten, wann ein Verdacht begründet ist und wie sie sich verhalten könnten. Judith Scholter besuchte einen Workshop und beschrieb am 26. Oktober 2010 die Gratwanderung der Lehrer auf www.zeit.de/2010/43/C-Lehrer-Kindesmissbrauch. Ob dies Aufgabe des Lehrers sei, diskutierte man im Netz, als belphegor67 postete: »Es klingt hart, aber ein Lehrer ist kein Sozialarbeiter und schon gar nicht ein Ermittler. Er soll unterrichten und seine Aufgabe darauf beschränken.« SarahA meinte dagegen: »Nein. Eben nicht. Wenn jeder nur in seiner eigenen Welt lebt und alles andere ignoriert, kann den Kindern nicht geholfen werden. Jeder muss die Augen offen halten.«
AlexB1085 fragte: »Soll ich als Lehrer hauptsächlich meinen Stoff durchziehen und was mit meinen Schülerinnen und Schülern passiert ist mir egal? Schon weil ich auf jede Schülerin und jeden Schüler möglichst individuell eingehen möchte, gehört dazu eine gewisse persönliche, wenn auch professionelle, Ebene des Miteinanders. Wenn es einem Schüler schlecht geht, jemand krank ist oder Probleme hat, geht das nicht spurlos an mir vorbei. Auch im Klassenraum wird zwischenmenschlich interagiert. Es ist schlichtweg unmöglich, kein 'Sozialarbeiter zu sein. Ich finde, dass man als Lehrer mit offenen Augen durch den Schulalltag gehen muss, mit einem offenen Ohr für die Schüler, wenn diese eines brauchen.«
Beranor schrieb: »Lehrer können einem Verdacht von Kindesmissbrauch nicht nachgehen. Sie sind dafür (weder) ausgebildet (noch) zuständig. Aber: Lehrer werden einen Missbrauchsfall von allen staatlichen Stellen am wahrscheinlichsten bemerken. Und: Schüler sind ihren Lehrern schutzbefohlen, dass heißt Lehrer sind gehalten, ihre Schüler zu schützen. Es ist aus meiner Sicht ganz klar ihre Aufgabe, bei einem begründeten Verdacht auf Missbrauch Schutzmaßnahmen einzuleiten. Lehrer müssen (wie bei der normalen ersten Hilfe) über Sofortmaßnahmen, Rettungskette und Telefonnummern informiert sein. Das gilt eigentlich auch für jeden Bürger.«
stefanincello forderte: »Der Artikel hebt ja ausdrücklich hervor, dass man nicht auf eigene Faust handeln, sondern im Verdachtsfall Experten hinzuziehen soll. Was ich aber sicher nicht richtig finde ist, dass der Lehrer sich nicht darum kümmern soll, wenn ihm etwas verdächtig vorkommt. So wie wir alle nicht wegsehen sollten, wenn wir an Kindern Symptome, die uns nicht als normal erscheinen, feststellen sollten. Man kann sich zum Beispiel vertraulich an Mitarbeiter vom Sozialamt wenden und diese über die eigenen Beobachtungen informieren und deren Meinung einholen. Wenn wir das tun, können wir vielleicht einige Kevins verhindern. Und jeder Kevin, den wir verhindern, ist ein gerettetes Leben.«
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