Fachliteratur nach Feierabend

Tierparkdirektor Prof. Dr. Dr. Dathe wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Tierparkdirektor Heinrich Dathe ließ sich oft und gern mit seinen Schützlingen ablichten. Doch er sei nicht eitel gewesen, versichert Jürgen Mladek in seiner Biografie »Professor Dathe und seine Tiere«. Die Bilder in Zeitungen und Zeitschriften sollten die Berliner und ihre Gäste anlocken, die Erweiterung des einmaligen Landschaftszoos in Berlin-Friedrichsfelde befördern.

Am Sonntag wäre Dathe 100 Jahre alt geworden. Fast 20 Jahre nach seinem Tod soll er morgen auf dem evangelischen Friedhof Karlshorst ein Ehrengrab erhalten. Tausende hatten 1991 der Beerdigung beigewohnt und damit zugleich machtvoll gegen die erwogene Schließung des Tierparks demonstriert. Dathe wechselte 1954 vom Leipziger Zoo nach Berlin, um dort den Tierpark zu gründen. Die Eröffnung erfolgte auf 60 Hektar. Heute ist die Anlage stolze 100 Hektar größer. In Europa gibt es nichts, was sich damit messen könnte. Mit 400 Tieren ging es los, 1990 waren es dann fast 10 000.

Der Professor akzeptierte provisorische Lösungen, vergaß jedoch nie seine Vision. Die Verwaltung hauste zunächst im baufälligen Schloss Friedrichsfelde und fror dort im Winter bitterlich. Sogar Löwen waren zeitweise in dem Gemäuer untergebracht. Doch 1964 konnte Dathe die Raubkatzen in der Felsenkulisse des Alfred-Brehm-Hauses platzieren und er erreichte, dass 1969 die Renovierung des Schlosses begann. Ursprünglich war es dem Abriss geweiht. 1989 zogen die Elefanten ins Dickhäuterhaus. Lange hatte der Direktor um diesen Bau gerungen, damit es mit dem Nachwuchs klappt. Der Plan ging Jahre später auf. Reihenweise kamen Elefantenjunge auf die Welt und begeisterten die Besucher.

Dathe hat es nicht mehr erlebt. Er starb nur wenige Wochen nach der Entfernung aus dem Amt durch den Bezirksstadtrat für Kultur. Auch die Dienstwohnung sollte der Tierparkdirektor schnell räumen. Laut Einigungsvertrag befinden sich alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der DDR, die das Rentenalter schon erreicht haben, seit dem 3. Oktober 1990 im Ruhestand, hieß es zur Begründung. Der mittlerweile 80-jährige Dathe klebte nicht an seinem Stuhl, versichert Autor Mladek. Einem Jüngeren Platz zu machen und ihm in der Übergangsphase zu helfen, dazu wäre er gern bereit gewesen. Doch die unwürdige Art und Weise des Rauswurfs habe ihm das Herz gebrochen. Die Biografie liest sich wie eine Chronik des Tierparks. Kein Wunder: Der Professor ist von seinem Lebenswerk nicht zu trennen. Er selbst unterschied kaum zwischen Beruf und Privatleben. Seine liebste Beschäftigung nach Feierabend: Fachliteratur studieren. Aber jeden Moment konnte das Telefon schrillen, weil ein Tier ausgebüxt oder ein anderes Problem aufgetreten war, und dann eilte der Chef schnell herbei.

Der Autor lobt und lobt und lobt. Manchmal trägt er zu dick auf. Die These, wenn es überall in der DDR so gut gelaufen wäre wie im Tierpark, dann wäre die Geschichte vielleicht anders verlaufen, scheint mindestens gewagt. Allerdings genoss Dathe in der Fachwelt tatsächlich einen ausgezeichneten Ruf wegen seiner Forschungsergebnisse und Zuchterfolge.

Jürgen Mladek: »Professor Dathe und seine Tiere«, Das Neue Berlin, 174 Seiten (geb.), 15,40 Euro

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