Petersburger Stadtväter kämpfen für die »Aurora«
Gegen das Vorhaben, den legendären Kreuzer aus dem Bestand der russischen Kriegsmarine zu streichen, regt sich Widerstand
Die Ängste sind nicht ganz unbegründet. Selbst weltberühmte Museen wie die Petersburger Eremitage oder die Tretjakow-Galerie in Moskau kranken an chronischer Unterfinanzierung. »Zweitrangige« Häuser sind noch weit schlimmer dran. In ihrer Not wollen die Stadtverordneten jetzt Präsident Dmitri Medwedjew um Hilfe bitten.
Der Beschluss, die »Aurora« einem Museum zu übertragen, heißt es im Entwurf einer Petition, die die Regierungspartei »Einiges Russland« initiiert hat, sei falsch und müsse korrigiert werden. Hunderte Marineoffiziere – aktive und Veteranen – empfänden den Beschluss als persönliche Beleidigung, pflichtete KP-Fraktionsvize Wladimir Fjodorow bei: Wer mit einer Pistole auf die Geschichte ziele, bekomme von dieser »einen Schuss mit der Kanone übergebraten«.
Die ultranationalen Liberaldemokraten sehen das ähnlich. Sie, die Kommunistische Partei und die Einheitsrussen plädieren dafür, das Schiff in die Bilanzen der Na- chimow-Marineschule einzustellen. Die Schule habe nicht nur die Mittel für die Wartung, sondern auch das erforderliche Fachpersonal. Schließlich, heißt es am Schluss der Petition, habe die »Aurora« Russland über 100 Jahre treu gedient.
Mit dem Bau des 127 Meter langen Schiffes war bereits 1897 begonnen worden. 1903 wurde es in Dienst gestellt und sofort im russisch-japanischen Kriegs eingesetzt. Im Ersten Weltkrieg diente die »Aurora« als Versorgungsschiff in der Ostsee. Weltberühmt wurde der Kreuzer jedoch durch die Oktoberrevolution 1917. Eine Salve der »Aurora« gab das Signal für den Sturm auf das Winterpalais.
Im Zweiten Weltkrieg bei deutschen Bombenangriffen schwer beschädigt und im Hafenbecken gesunken, wurde der Kreuzer 1948 gehoben, restauriert und diente der Nachimow-Schule noch bis 1961 als Ausbildungsschiff. In einem Teil der »Aurora« war 1956 eine Stätte der Erinnerung an ihre Rolle während der Oktoberrevolution eröffnet worden, die bisher 30 Millionen Menschen besuchten.
Das Unglück begann, als bekannt wurde, dass der millionenschwere Oligarch Michail Prochorow im Juni 2009 an Bord des Kreuzers ein rauschendes Fest für Teilnehmer des Petersburger Wirtschaftsforums gegeben hatte. Einige Gäste waren, um die leicht benebelten Köpfe abzukühlen, in dürftiger Bekleidung vom Oberdeck in die Newa gesprungen und hatten damit öffentliches Ärgernis erregt. Der Skandal war umso größer, als auch Regierungsvertreter und Petersburgs Gouverneurin Valentina Matwijenko zeitweilig Gäste der Party waren. Flottenkommandeur, Kapitän und mehrere hohe Offiziere wurden daraufhin mit Disziplinarstrafen belegt.
Danach soll im Kopf von Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow der Plan gereift sein, das Schiff komplett zum Museum zu machen. Vor allem gegen ihn richtet sich jetzt auch der Zorn der Abgeordneten: Serdjukow habe von Militär keine Ahnung. Russland tut sich nach wie vor schwer mit einem Zivilisten als Verteidigungsminister. Serdjukow muss sich mit schöner Regelmäßigkeit seine Vergangenheit vorwerfen lassen – als Möbelhändler.
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