Alles eine Frage der Verteilung

  • Dierk Hirschel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Ex-DGB-Chefökonom ist heute Wirtschaftsexperte bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Der Ex-DGB-Chefökonom ist heute Wirtschaftsexperte bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

In der Krise wird kräftig umverteilt. Die Politik sozialisiert die Verluste der Glaspaläste. Im Euroraum verschlang die Bankenrettung rund ein Fünftel der Wirtschaftsleistung. Aus privaten Schulden wurden öffentliche Schulden. Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde eine Krise der Staatsfinanzen.

Jetzt ist Zahltag. Hierzulande begleichen Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose die Zeche von Ackermann, Funke & Co. Wolfgang Schäuble kürzt und streicht zu Lasten von Hartz-IV-Empfängern, Arbeitslosen und öffentlich Beschäftigten. Gleichzeitig sinken die Altersbezüge durch die Rente mit 67. Gesundheitsminister Philipp Rösler schröpft die Versicherten durch höhere Beiträge und eine Kopfpauschale. Städte und Gemeinden in Not schließen Bibliotheken, Schulen und Schwimmbäder, erhöhen Kitagebühren und kürzen Gehälter.

Die Verursacher der Krise gehen hingegen weiter auf Renditejagd. Die kosmetische Behandlung der Finanzmärkte bricht nicht mit der Logik des Casinos und des Shareholder-Value. Boni und Prämien fließen wieder. Selbst die Pleitebank Hypo Real Estate schüttete 25 Millionen Euro an ihr Management aus. Die Deutsche Bank peilt für 2011 einen Rekordgewinn von 10 Milliarden Euro an. Dabei geht der Branchenprimus auf volles Risiko. Jeder Euro Eigenkapital ist mindestens 20 Mal ausgeliehen oder verwettet. Für Folgen und Nebenwirkungen haften die Steuerzahler. Doch damit nicht genug. Im Mittelpunkt der Unternehmenspolitik steht noch immer der Aktionär. Die Dax-30-Konzerne kehrten dieses Jahr fast 70 Prozent ihrer Nettogewinne an die Aktionäre aus.

Kurzum: Nach der Krise geht es so weiter wie vor der Krise. Die ökonomische Ungleichheit wächst und wächst. Daran ändert auch der aktuelle Aufschwung nichts. Mehr Wachstum und Beschäftigung führen nicht automatisch zu höheren Löhnen. Prekäre Jobs, die Umverteilung vorhandener Arbeit – aus Vollzeitjobs werden Teilzeit- oder Minijobs – und rund neun Millionen Arbeitsuchende machen den Löhnen keine Beine.

Die schwarz-gelbe Umverteilungspolitik stößt auf den entschiedenen Widerstand der Gewerkschaften. Sie ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ökonomisch schädlich. Nur eine gerechtere Verteilung der Kuchenstücke macht den Kuchen größer. Höhere Löhne und mehr Sozialstaat sorgen dafür, dass Ressourcen, die sonst brachliegen, auch genutzt werden.

Eine andere Verteilung des Kuchens beginnt bei den Löhnen. Tarifpolitik ist aber kein Wunschkonzert. Deswegen muss zunächst die Schieflage auf dem Arbeitsmarkt korrigiert werden. Hierfür braucht es einen gesetzlichen Mindestlohn, gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit, eine Abschaffung der Mini-, Midi- und Ein-Euro-Jobs sowie mehr allgemein verbindliche Tarifverträge.

Das reicht aber nicht aus. Kopfpauschale und Rente mit 67 gehören ins Endlager. Die Steuerpolitik muss hohe Einkommen und Vermögen stärker zur Finanzierung der Bildung, des Gesundheitswesens, des ökologischen Umbaus und armutsfester Sicherungssysteme heranziehen. Die Finanzinstitute müssen durch eine Bankenabgabe und eine Finanztransaktionssteuer für den angerichteten Schaden zahlen. Die Gewerkschaften mobilisieren und werben für eine andere Politik. Die Verteilungsfrage steht dabei im Mittelpunkt.

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