Der beste Medaillenlose
Erinnerungen an einen unbesungenen Olympiahelden
Sportler des Jahres 2010 – keine einfache Wahl. Sie heißt aber auch nicht »Bester Sportler des Jahres«. Und so findet sich mein Favorit in kaum einer Vorschlagsliste, denn eine Medaille gewann er nicht. Das allein macht den Sport auch nicht aus. Ein Gedanke, an den mich Tyson Heung ausgerechnet bei der größten Medaillenzählveranstaltung Olympia erinnerte.
Völlig ausgepumpt hing der Dresdener in der Mixed Zone des Pacific Coliseums über dem Geländer, das uns Journalisten von den Athleten trennte. Überglücklich strahlte er mich an. Nur mich, denn kein anderer deutscher Kollege war zu den Shorttrackern gekommen. Die Medaillenchancen waren zu gering. Tyson war gerade Fünfter über 500 Meter geworden. Selbst mit dieser Platzierung hatte er nicht gerechnet. Deshalb die Freude, auch wenn sich niemand sonst dafür interessierte.
Ich hatte den gebürtigen Kanadier ein paar Wochen zuvor in Dresden bei den Europameisterschaften kennengelernt. Damals war er enttäuscht, hatte selbst gegen die schwächere europäische Konkurrenz kein Glück gehabt. Doch schon da war seine Vorfreude auf die Spiele in seiner Heimat zu erkennen. Ich hatte ihm versprochen, dass ich einmal zu seinen Rennen in Vancouver komme. Am drittletzten Tag schaffte ich es ausgerechnet zu seinem besten. Für einen Bericht im ND war kein Platz mehr, aber endlich fand ich den Beweis für die Existenz des olympischen Mottos.
Nur neun Monate später hängen Tysons Kufen am Nagel, und der schnelle stille Mann lebt wieder in Montreal. Die große Bühne betritt der 31-Jährige nicht mehr, sondern ein Klassenzimmer als Mathematiklehrer.
In Kanada war er nie gut genug, um Star zu sein. In Deutschland kann man als Shorttracker dafür wohl nicht gut genug sein. Tyson kam dennoch nach Dresden: Er wollte kein Star, sondern olympischer Athlet sein. Für mich der beste.
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