»Grober Unfug« zu Flugrouten

Bericht über Einigung dementiert / Vorsitzender der Lärmkommission wirft hin

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Neue Verwirrung um die Flugrouten für den Großflughafen Schönefeld: Regierungssprecher Thomas Braune hat einen Bericht der »Bild«-Zeitung dementiert, wonach sich der Berliner Senat und die Brandenburger Regierung über die Routen geeinigt hätten. Demnach sollten, um Berlin zu entlasten, die von der Nordbahn Richtung Osten oder Norden startenden Flugzeuge in niedriger Höhe über Potsdam hinwegfliegen. Der Berliner Südwesten sowie Berlin-Lichtenrade, Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow würden nicht überflogen. Dargestellt wird dies praktisch als Wahlkampfhilfe Platzecks für Wowereit.

Das sei »grober Unfug«, sagte Braune. Es gebe keinerlei »Nebenabsprachen« zwischen Ministerpräsident Matthias Platzeck und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD). »Es ist absurd zu unterstellen, Platzeck und Wowereit könnten Flugrouten nach Gutdünken und politischem Kalkül festlegen.« Der Bericht sei »schlicht und einfach eine Ente«.

Ähnlich äußerte sich Senatssprecher Richard Meng. Auch die Deutsche Flugsicherung wies den Bericht zurück. Anträge zu den Flugrouten gebe es nur aus der Fluglärmkommission. »Uns liegen 15 Anträge vor, die werden wir jetzt prüfen und darüber am 13 Dezember in der Kommission diskutieren«, so eine Sprecherin.

Die Sitzung am 13. Dezember wird dann voraussichtlich von einem neuen Vorsitzenden geleitet, nachdem der bisherige Chef der Fluglärmkommission, Bernd Habermann, wegen »Interessenkonflikten« seinen Rückzug erklärt hatte. Der 72-Jährige ist auch Ortsvorsteher von Blankenfelde, das von Fluglärm mit am schwersten betroffen ist. Gegen ihn waren bereits Rücktrittsforderungen besonders aus Berlin laut geworden. In Blankenfelde-Mahlow wird Habermann deshalb als »Mobbingopfer« egoistischer Neumitglieder der Lärmkommission gesehen. »Es war völlig richtig von ihm, dass er die Relation der Lärmbetroffenheit zwischen Zehlendorfern und Blankenfeldern aufgezeigt hat«, so der Vorsitzende des Flughafenausschusses der Gemeinde, Matthias Stefke. Auf der letzten Sitzung der Kommission hatte Habermann für Aufsehen gesorgt, als er eine Standortverlegung des Airports BBI als akzeptable Lösung für alle Betroffenen ins Spiel brachte.

Damit näherte er sich dem Standpunkt der ältesten BBI-Protestbewegung an, dem Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB), der seit Jahren gegen den BBI in Schönefeld kämpft. Denn der erwartete Fluglärm »ist die Folge einer verantwortungslosen Standortentscheidung«, ließ der BVBB gestern wieder wissen. Und warnte die neuen Bürgerinitiativen davor anzunehmen, dass sie nicht unter dem Lärm leiden müssten, »wenn es nur die richtigen Flugrouten gibt«. Wenn BBI in Schönefeld erst einmal in Betrieb geht, werde er weiterentwickelt werden, »auch mit dritter und vierter Startbahn«. Die neuen Routenvorschläge würden weder die Flugsicherung noch die Flughafengesellschaft oder deren Aufsichtsrat – mit Wowereit und Platzeck als Mitgliedern – beeindrucken, glaubt der BVBB. Als Beweis wird darauf verwiesen, dass die Flughafengesellschaft auf Parallelstarts von den beiden Pisten beharrt. Die Routen müssten dann abknicken und über Berlin hinwegführen.

Flughafenchef Rainer Schwarz hält einen Verzicht darauf für ausgeschlossen, weil sonst BBI kein Drehkreuz werden könnte und die Kapazität hinter die derzeitige von Tegel und Schönefeld zurückfallen würde. Dort sind heute bis zu 50 Starts pro Stunde erlaubt, ohne unabhängigen Parallelbetrieb wären auf dem BBI maximal 40 möglich. Dies würde den Flughafen unwirtschaftlich machen, weiß auch der BVBB. Laut Flughafenchef sind Parallelstarts allerdings vorerst nur zwei Stunden am Tag notwendig. Auch jetzt am Wochenende wird wieder gegen den Fluglärm demonstriert. In Stahnsdorf will heute Matthias Platzeck dabei sein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.