Mittelalter bremst die U 5

Bei Bauarbeiten auf die Fundamente des gotischen Rathauses gestoßen / Wird Station verlegt?

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bauarbeiten zur Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom Bahnhof Alexanderplatz zum einen Steinwurf entfernten Roten Rathaus förderten ein gutes Stück Berliner Mittelalter zu Tage: Vor dem jetzigen Regierungssitz in Mitte stießen die Baggerschaufeln auf Mauerwerk des um 1260 errichteten Vorgängerbaus. Gestern unternahmen die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr einen kurzen Ausflug ins Mittelalter, bevor sie sich zur Sitzung ins Rathaus zurückzogen.

Dort wurde diskutiert, wie BVG und Denkmalschutz nach den laut Experten geschichtshistorisch äußerst wertvollen Funden zu »einer vernünftigen Lösung finden«, wie es Grabungsleiter Michael Hofmann formulierte. Denn das Mittelalter kollidiert jetzt mit der U 5. Die Pläne für den Sitz des U-Bahnhofs durchkreuzen die Pläne des Landesdenkmalamtes, möglichst viel von dem 39 Meter langen und 17 Meter breiten gotischen Rathaus zu retten. Der Bau der Strecke könnte sich dadurch verzögern. Ursprünglich sollte der Bau der Station Anfang 2011 beginnen.

Die Ausschussmitglieder wollen, wie Landeskonservator Jörg Haspel, möglichst viel der Ruine für Besucher erschließen – selbst wenn das die Kosten in die Höhe treibt und der Standort des künftigen U-Bahnhofs neu geplant werden müsste. »Wir wollen den kompletten Erhalt des alten Rathauses«, sagte der Ausschussvorsitzende Thomas Flierl (LINKE). Mit der Entdeckung der Fundamente sei die Annahme in Frage gestellt, die einstige preußische Residenzstadt habe eine schwache Kommunalgeschichte gehabt.

Nun werde überlegt, ob der neue U-Bahnhof um 17 Meter verlegt oder auf einen der Ausgänge verzichtet wird. Die BVG sei gebeten worden, die Varianten einer Neugestaltung auszurechnen, sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). »Wir sind nur die Ausführenden«, meinte BVG-Chefin Sigrid Nikutta. Auftraggeber sei der Senat. Ihr Unternehmen erwarte nun ein Zeichen der Politik über die nächsten Schritte. An der veranschlagten Bauzeit von sieben Jahren werde sich nichts ändern.

»Das alte Rathaus wurde vierschiffig errichtet und fungierte auch als Kaufhaus. Vor allem Tuchhändler hatten hier im Bau ihren Sitz«, erläuterte Haspel. »Solche Hallen gibt es kaum noch«, betonte er. Für Haspel und Grabungsleiter Hofmann ist die Entdeckung wegen des hervorragenden Zustands »ein über Berlin hinaus spektakulärer Fund«. Diese Entdeckung könne allerdings nur vollkommen erhalten werden, wenn die BVG auf den südwestlichen U-Bahn-Ausgang verzichte und die Station nach Norden verschoben werde.

Beim Blick auf die archäologische Fundgrube überlegte Ausschussmitglied Daniel Buchholz (SPD) laut: »Warum nicht ganz auf den Bau dieses U-Bahnhofs verzichten?« Schließlich liege die schon bestehende Station Alexanderplatz gerade einmal rund 470 Meter entfernt, der geplante Halt Berliner Schloss sei nur etwa 390 Meter weit weg. Diesen Gedanken befürwortete Buchholz' Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) durch heftiges Kopfnicken.

1865 wurde das alte Rathaus abgerissen. Bei den Planungen für das heutige Rote Rathaus, bewies der Magistrat damals Weitblick. »Es gibt Belege dafür, dass der Standort bewusst 20 Meter nach Süden verlegt wurde«, erklärte Hofmann. Die Magistratsmitglieder wollten den Nachfahren nicht den Blick in die Vergangenheit verbauen. Das freut die Denkmalschützer heute über alle Maßen, denn für sie enthält diese archäologische Fundgrube jede Menge Geschichte(n).

Zwischen dem 13./14. und dem 19. Jahrhundert wurden die Böden um insgesamt 1,40 Meter aufgeschüttet, hatten Hofmann und sein Grabungsteam festgestellt. Dabei wurden auch über 1000 Münzen ausgebuddelt..

Da kamen Geldstücke aus dem 13. Jahrhundert aus Sachsen und Böhmen (Prager Groschen) und Frankfurt (Oder) ans neuzeitliche Tageslicht. Im April oder Mai 2011 sollen die Grabungsarbeiten fortgesetzt werden. Jetzt werden erst einmal Decken und Matten als Schutz vor dem Frost übers Mittelalter gedeckt.

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