Es gibt keine Feinde

Das opulente Epos »Kraj – Am Rande der Welt« eröffnete die Russische Filmwoche

  • Uta Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Ende September kam er in die russischen Kinos und spielte an nur einem Wochenende 2,5 Millionen Dollar ein. Im Oktober wurde er von der Russischen Filmakademie als Beitrag für den Wettbewerb um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgewählt und am Mittwochabend eröffnete er im voll besetzten Kino International die 6. Russische Filmwoche in Berlin: »Kraj – Am Rande der Welt«. Das aufwendige Nachkriegsepos von Alexej Utschitel zeigt russisches Gefühlskino der besonderen Art. Der Zuschauer wird von der ersten bis zur letzten Minute des fast zweistündigen Werkes geradezu mitgerissen.

Der Film handelt von Liebe, aber vor allem geht es um Geschichte, wenn es einen Frontheimkehrer im Herbst 1945 in die kleine sibirische Siedlung »Kraj«, einem Verbannungsort für Frauen und Männer, die unter Stalin als Vaterlandsverräter bezeichnet wurden, verschlägt. »Am Rande der Welt« zeigt nicht nur ein Stück der sowjetischen Nachkriegsgeschichte. In dem Werk vermischen sich auch Schicksale von Deutschen und Russen. Und letztendlich geht es doch wieder um Liebe des ausgezeichneten Frontsoldaten zu einer jungen Deutschen – besetzt mit Wladimir Maschkow und der deutschen Schauspielerin Anjorka Strechel.

»In erster Linie wollte ich ausdrücken, dass es keine Feinde gibt«, sagte Regisseur Utschitel während der Eröffnungsveranstaltung. Es ist gelungen. Opulentes Werk, große Gefühle, brillantes Kino – am 30.11. um 20.30 Uhr im Broadway-Kino noch einmal zu sehen.

Große Gefühle bieten dem Berliner Publikum bis zum 30. November auch andere Streifen der Filmwoche, die wie gewohnt neueste Produktionen aus Russland zeigt. Immer wieder geht es um Liebe, Leidenschaft und Freundschaft – mal als Komödie, Tragikkomödie, Drama oder Melodrama, mal märchenhaft, erfrischend unverbraucht oder mit feinsinniger Situationskomik. Nicht nur Freunde der russischen Sprache – alle Filme werden im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt – sondern auch die der »russischen Seele« kommen bei diesem Festival auf ihre Kosten.

In der russisch-kasachischen Koproduktion »Ironie der Liebe« wird gezeigt, dass manchmal auch Märchen wahr werden können. Bei »In Sachen Liebe« geht es um die Beziehung eines neureichen Russen zu seiner mittellosen Angestellten. Der Film basiert auf einem Roman von Oksana Robski, deren Werke über die neue russische Geldelite auch in Deutschland viel gelesen werden.

Jugend- und Generationsprobleme haben 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion an Brisanz gewonnen. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Filmen wieder. In »Sonny« geht es beispielsweise um eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung. Mit dem Film »Zu leben« wird das russische Festival der Neuen Generation – das Moskauer internationale Filmfestival »Zwei in Eins« – vorgestellt. Nicht nur für Kinderaugen ist der Film »Vorsicht, Kinder!«, der an sowjetische Kinderfilmklassiker der 80er Jahre anknüpft. Und mit dem »Hässlichen Entlein« kommt der gute alte Multfilm (Zeichentrick), verpackt in ein Musical, auf die Leinwand zurück. Der in Zeiten der Shrek-Filme eher unkonventionelle Trickfilm spricht sich für Toleranz in der heutigen multikulturellen Gesellschaft aus.

Insbesondere für Filmstudenten und Nachwuchsfilmemacher dürfte die »Retrospektive Vladimir Kobrin« von Interesse sein. Im Babylon Mitte werden die wichtigsten Kurzfilme des Avantgarde-Filmemachers Kobrin (1942-1999) gezeigt. Als Special Event wird in der Sonntagsmatinee im Delphi der polare Psychothriller »Wie ich diesen Sommer beendete« zu sehen sein, der während der Berlinale drei Silberne Bären erhielt.

Die Filmwoche, mittlerweile ein fester Posten in der Berliner Kulturlandschaft, ist größer geworden: Sponsoren sind dazugekommen, es gibt mehr Spielorte, ein umfangreiches Rahmenprogramm und nach jeder Vorführung Gespräche mit den Machern.

Das gesamte Programm unter www.Russische-Filmwoche.de

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