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Geißler Schlichter in Schönefeld?
Teltows LINKE-Stadtchef schlägt Vermittlung bei Flugrouten vor / Steffen Heller (48) ist auch Chef der LINKE/Grüne-Fraktion im Parlament der brandenburgischen Stadt Teltow
ND: Sie haben vorgeschlagen, im Streit um die Flugrouten vom Großflughafen Schönefeld einen Schlichter einzusetzen. Warum?
Heller: Ich höre von Politikern, die hinter den Kulissen etwas drehen möchten. Aber genau das wollen die Bürger nicht, dass Entscheidungen in Hinterzimmergesprächen und Behördenstuben gefällt werden. Die Flugrouten müssen in einem für die Betroffenen transparenten Verfahren festgelegt werden. Ein Schlichter könnte die Konflikte in öffentlichen Vermittlungsgesprächen vielleicht entschärfen. Ich bin der Ansicht, dass solche Gespräche als festes Instrument in Planungsverfahren verankert werden sollten. Die bisherigen Möglichkeiten der Einflussnahme sind doch unzureichend. Gut wäre eine frühe Schlichtung sicherlich auch für die umstrittenen Pläne des Energiekonzerns Vattenfall, klimaschädliches CO2 in Ostbrandenburg zu verpressen.
Wie sollte die Schlichtung in der Frage der Flugrouten aussehen?
Ich stelle mir vor, dass sich die Bürgerinitiativen und alle anderen Beteiligten außerhalb eines streng formalisierten behördlichen Planungsverfahrens zusammensetzen, ihre Wünsche und Bedenken nennen und gemeinsam nach einer Lösung suchen. Das wäre nichts anderes als eine Variation des Runden Tisches, mit dem die Ostdeutschen 1989 gute Erfahrungen gemacht haben.
Wie sind Sie auf die Idee der Schlichtung gekommen?
Das lag im Grunde in der Luft. Ich habe etwas über die Schlichtung im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 gelesen. Es gibt auch andere Beispiele: So die Verlegung einer Kohlenmonoxidleitung in Nordrhein-Westfalen.
Wer schwebt Ihnen als Schlichter vor?
Da gibt es einige Varianten: die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann, die Vizepräsidentin des Bundestages Karin Göhring-Eckardt, der frühere sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner oder der einstige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Es müsste auf jeden Fall jemand von außerhalb sein.
Warum eigentlich nicht Heiner Geißler?
Der Name ist mir natürlich zuerst eingefallen. Aber Herr Geißler hat ja noch in Stuttgart zu tun.
Sind die Fronten im Streit um die Flugrouten nicht zu verhärtet?
Die Positionen wirken doch beim Streit um das Projekt Stuttgart 21 genauso gegensätzlich und unvereinbar. Trotzdem scheinen die Schlichtungsgespräche etwas zu bringen. Auf Anhieb weiß ich auch keine Lösung. Das lässt sich nicht vorwegnehmen. Darum würde es ja bei den Schlichtungsgesprächen gehen – einen Ausweg zu finden.
Irgendwer leidet immer unter dem Fluglärm. Das ist Ihnen klar?
Dass es so kommt, das hat man gewusst, als die Entscheidung für den Standort Schönefeld fiel. Aber die Menschen, die sich in Teltow ein Häuschen gebaut haben, die mussten denken, dass sie hier vom Lärm verschont bleiben. Sie können jetzt nicht einfach wegziehen. Wie oft baut eine Familie ein Haus? Sie tut es einmal und sie tut es, damit die Kinder im Grünen und in Ruhe aufwachsen. Das Vertrauen der Bürger wurde enttäuscht. Durch eine Schlichtung lässt sich Vertrauen eventuell zurückgewinnen. Besser wäre es natürlich gewesen, den Großflughafen in Sperenberg zu bauen oder eine Transrapidstrecke zum Flughafen Halle/Leipzig zu legen. Aber machen wir uns nichts vor. Die Entscheidung lässt sich nicht rückgängig machen.
Fragen: Andreas Fritsche
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