Die Profiteure der Vernichtung

Gedenkstätte will breiter über Zwangsarbeit in Leipzig informieren – trotz knapper Mittel

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Leipzig war in der NS-Zeit ein Zentrum der Zwangsarbeit. Ein Verein, der seit bald zehn Jahren eine Gedenkstätte betreibt, will noch breiter über Opfer und Nutznießer informieren. Doch es mangelt an Personal.

Der Friedhof im Wald hinter Flößberg, auf dem 38 jüdische Häftlinge eines KZ-Außenlagers begraben sind, bleibt erhalten. Lange war gestritten worden, ob die Gräber umgebettet werden, weil eine Neugestaltung des Friedhofs angeblich zu teuer wäre (ND berichtete). Die Intervention des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden hat jetzt dafür gesorgt, dass das Ansinnen fallen gelassen wurde.

Erhalten bleibt so auch ein authentischer Gedenkort an das System Zwangsarbeit, das um Leipzig während der NS-Zeit schier ungeahnte Ausmaße erreichte. Auslöser war die Hugo Schneider AG, kurz Hasag, die einst als Lampenfabrik gegründet worden war, später zu einem Rüstungsbetrieb wurde und ab 1939 »einer der größten Profiteure des Systems Vernichtung durch Arbeit« wurde, sagt die Historikerin Ramona Bräu. Bräu referierte auf einem Symposium, das die Leipziger Gedenkstätte für Zwangsarbeiter veranstaltete und auf dem erschütternde Zahlen genannt wurden. Mehr als 30 000 Zwangsarbeiter beschäftigte die Hasag in Werken im besetzten Polen, viele davon Juden, die vor dem Transport ins Gas in den Betrieben schufteten. Im Stammwerk in Leipzig oder einer Fabrik in Altenburg wurden Tausende »Ostarbeiter« ausgebeutet und später fast 15 000 Häftlinge des KZ Buchenwald, die in sieben Außenlagern untergebracht waren, darunter auch in Flößberg.

Grausamer als die SS

Die durch engste Kontakte zur SS organisierten billigen Arbeitskräfte wurden oft grausam behandelt. In Flößberg, sagt Wolfgang Heidrich vom Verein Geschichtswerkstatt, gab es Dreck, Misshandlungen und kaum Wasser, anderswo mussten Häftlinge als Ziele für Schießübungen herhalten. In den polnischen Filialen mordete der Werkschutz grausamer als die SS. Das Unternehmen florierte derweil: Von den selbst entwickelten Panzerfäusten wurden Millionen Stück produziert. In Altenburg etwa gab es auf dem Werksgelände ein Kulturhaus und ein Schwimmbecken.

Trotz des Umfangs der Zwangsarbeit, die in der Stadt sehr präsent gewesen sein muss, ist der Name Hasag heute kaum noch ein Begriff, sagt Andrea Lorz von der Leipziger Gedenkstätte. Auch wissenschaftlich sei das komplexe Thema »allenfalls in Teilbereichen erforscht«. In Städten wie Altenburg, wo ein Drittel der Bevölkerung für die Hasag arbeitete, gab es bis 2006 nicht einmal eine Gedenktafel für die Opfer, sagt Bert Markiewicz, der eine Diplomarbeit über die Hasag schrieb. Deren Bad sei bis zur Schließung 2003 rege genutzt worden. Die Vorgeschichte kannte kaum ein Altenburger.

Die Gedenkstätte in Leipzig, die 2011 zehn Jahre besteht, hat viel geleistet, um an das Thema zu erinnern. Insbesondere wurden Kontakte zu Überlebenden hergestellt. Weil diese aber immer älter werden, wolle man künftig andere Ansätze suchen, sagt Franz Hammer, der junge Vorsitzende des Fördervereins »Margarete Blank«, der die Gedenkstätte betreibt. Weil diese am Stadtrand liegt, könnten Führungen dafür sorgen, das Thema auch in andere Stadtteile zu tragen. Gern würde Hammer auch die Forschungsarbeit stärker bündeln, um das Ausmaß der Ausbeutung der Zwangsarbeiter sichtbar werden zu lassen.

Nur eine feste Stelle

Allerdings fehlt es der in Sachsen einzigartigen Gedenkstätte an den Voraussetzungen: Nur eine feste Stelle wird von Stadt und Gedenkstättenstiftung bezahlt, dauerhafte Förderung gibt es nicht. Das reiche kaum, um die Ausstellung zu öffnen und Briefe von Überlebenden zu beantworten, sagt Hammer. Um die Forschung zu bündeln, wäre mehr Geld notwendig: »Nur im Ehrenamt ist ein solches Thema nicht zu bewältigen.«

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