Neuer Hartz IV-Regelsatz viel zu niedrig

Sozialexperten: Berechnung der Bundesregierung voller Tricks und politisch gewollter Abschläge

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Schwarz-Gelb hat bei der Neuberechnung der Regelsätze offensichtlich getrickst. Ein Expertengremium, das auf Nachfrage der LINKEN eigene Berechnungen anstellte, kommt nun zu dem Ergebnis, dass der Satz mindestens 28 Euro höher liegen müsste. Würde man alle dämpfenden Faktoren herausrechnen, müsste der Regelsatz mehr als 500 Euro betragen.

Obwohl Opposition und Sozialverbände den neuen Regelsatz als zu niedrig kritisieren, halten Union und FDP an ihrem Vorhaben fest. Ab Januar soll das Arbeitslosengeld II für Erwachsene um ganze fünf Euro steigen. So kommt ein alleinstehender Hartz-IV-Bezieher dann auf 364 Euro pro Monat. Das reicht nicht mal aus, um die Preissteigerungen der letzen Jahre aufzufangen.

Am Montag präsentierte die stellvertretende Vorsitzende der LINKEN, Katja Kipping, nun alternative Berechnungsergebnisse. Auf Einladung der Linkspartei hatten sich Experten aus »Sozialverbänden, Wissenschaft und Bewegung« zusammengesetzt und den neuen Regelsatz unter die Lupe genommen. In ihrem Abschlussbericht »Existenzminimum kleingerechnet« kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass »Tricks und politisch gewollte Abschläge« den Regelsatz drücken.

Zu den Tricks der Regierung gehört so beispielsweise die »Herausnahme der verdeckt Armen«, wie Katja Kipping am Montag erläuterte. Als verdeckt arm gelten Arbeitnehmer, deren Einkünfte unter Hartz-Niveau liegen und die aus Scham oder Unkenntnis keinen Antrag auf Unterstützung stellen. Und obwohl das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass verdeckt Arme die Datenbasis verfälschen, wurden sie nicht herausgerechnet.

Ein weiterer Trick ist die Verkleinerung der Referenzgruppe. Bislang zog man die Ausgaben der untersten 20 Prozent aller Haushalte heran. Nun stützt man sich nur noch auf die untersten 15 Prozent der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Eine glaubhafte Begründung dafür blieb die Regierung bislang schuldig. Doch der sich daraus ergebende Effekt spricht für sich: Ohne diese willkürliche Verkleinerung der Referenzgruppe und ohne die verdeckt Armen würde der Regelsatz statt 364 Euro rund 392 Euro betragen. Allein die beiden Rechentricks drücken den monatlichen Satz also um 28 Euro.

Doch das ist noch nicht alles: Korrekterweise müssten auch die sogenannten Aufstocker aus der EVS-Stichprobe herausgerechnet werden. Hunderttausende Bundesbürger verdienen so wenig, dass sie ihr Gehalt mit Hartz IV »aufstocken« müssen. Auch sie drücken die Berechnungsgrundlage und somit den Regelsatz. Doch eine genaue Berechnung dieses Effekts war der Expertengruppe unmöglich, da die Bundesregierung »wichtige Rohdaten der EVS zurückhält«, wie Katja Kipping anmerkte.

Aber es sind nicht nur diese Rechentricks, die den Regelsatz drücken. Auch willkürliche Abschläge gehören zum Kalkül der Regierung. Warum Hartz-IV-Betroffene etwa keine Haftpflichtversicherung brauchen oder kein Bier trinken dürfen, bleibt unklar. Verzichtet man auf diese Dämpfungsfaktoren, dann müsste der Regelsatz bei 460 Euro liegen. Noch mehr Geld gäbe es, wenn alle Abschläge wegfallen würden. Dann könnten sich Hartz-IV-Bezieher auf über 500 Euro pro Monat freuen. Kommentar Seite 4

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