Schlichtung im Bahnkonflikt beginnt
Vorweihnachtliche Gesprächsrunden um einen Branchentarifvertrag ab heute
Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Deutscher Bahn und sechs Privatbahnen auf der anderen Seite war Mitte November beschlossen worden, nachdem monatelange Verhandlungen über einen einheitlichen Branchentarifvertrag für den Schienenpersonennahverkehr keine Annäherung gebracht hatten.
Die gewerkschaftliche Forderung ist eine Antwort auf das zunehmende Lohndumping in Folge der Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Weil neue Bahnunternehmen meist mit deutlich niedrigeren Löhnen und Sozialleistungen kalkulieren als die bundeseigene DB Regio, haben sie sich bei öffentlichen Ausschreibungen zunehmend durchgesetzt. Dass die als »G6« bezeichneten sechs nicht-bundeseigenen Bahngesellschaften Veolia, Keolis, Arriva, Abellio, Hessische Landesbahn und Benex überhaupt zu Verhandlungen bereit waren, rechnen sich die Gewerkschafter als Erfolg an.
Doch von einer echten Angleichung der Tarife an das DB-Regio-Niveau wollen die »G6« nichts wissen. Ihr Angebot liegt 20 Prozent darunter. Daran hat auch ein Warnstreik nichts geändert, der am 26. Oktober mehrere Stunden lang den Bahnverkehr in etlichen Ballungsgebieten stark beeinträchtigte. Erfasst wurden auch einige Standorte der »G6«.
Dass die Gewerkschaftsspitze nach dem als »erfolgreich« eingestuften Warnstreik auf eine Steigerung verzichtete und sich umgehend auf Schlichtung und Friedenspflicht einließ, hat einige Mitglieder irritiert. So zeigte sich beim EVG-Gründungskongress in dieser Woche auch der Delegierte Uwe Larsen Röver aus Halle (Saale) »überrascht« über die Eile, mit der das Schlichtungsverfahren kam: »Man hätte durchaus die Verhandlungen weiterführen und im Zweifelsfalle mit einem Warnstreik auch bei den Privatbahnen mehr Druck aufbauen können«, gab er zu bedenken. In seinem Betrieb sei der Streik »sehr positiv aufgenommen« worden. Nach seiner Auffassung habe es »noch genügend Substanz« gegeben, um den Druck von unten zu erhöhen, so Röver.
Wenn die Privatbahnen vom Tarifniveau der DB Regio nichts wissen wollen, dann verweisen sie auf die zunehmende Praxis der DB Regio, über eigene Tochterfirmen ohne Tarifbindung bei Ausschreibungen mitzubieten und so ihre Marktanteile zu verteidigen. Die DB-Manager sehen darin einen »Akt der Notwehr«. Ein aktuelles Beispiel ist die Ausschreibung des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes, also für die S-Bahnen im Raum Halle-Leipzig. Dort hat eine solche Briefkastentochter der DB Regio, die Mitteldeutsche S-Bahn GmbH, den Zuschlag erhalten. »Wir wissen nicht, mit welchen Personalkosten kalkuliert wurde«, kritisiert Röver: »Bisher hat niemand die Katze aus dem Sack gelassen.«
Als Betriebsrat wird er viel Arbeit bekommen, wenn ein Teil der bisher tariflich abgesicherten Arbeitsplätze wegfällt und die Personalrekrutierung für die neue Tochterfirma über ein Bewerbungs- und Auswahlverfahren laufen soll. »Kollegen, die schon über 30 oder gar 40 Jahre bei der Bahn tätig sind, sollen sich da neu bewerben und wissen nicht, zu welchen Konditionen«, beklagt der Betriebsrat: »Nach dem Motto ›Friss, Vogel, oder stirb‹ werden Arbeitsplätze angeboten und die Konditionen erst hinterher ausgehandelt.«
»Wenn es nicht klappt, freut sich Deutschland auf ein interessantes Frühjahr«, erklärte EVG-Vorstandsmitglied Heinz Fuhrmann vorsorglich für den Fall eines Scheiterns der Schlichtung.
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