Strippenzieher unter der Lupe

»Worst-EU-Lobby-Award« geht in diesem Jahr an RWE-Tochter und Bankenlobbygruppe ISDA

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.
Gestern wurde in Brüssel zum 6. Mal der Negativpreis »Worst-EU-Lobby-Award« für besonders irreführende und anti-demokratische Lobby-Praktiken vergeben – in diesem Jahr in den Kategorien Finanzen und Klima.

Schätzungsweise 10 500 Lobbyisten vertreten in Brüssel Wirtschaftsverbände und Unternehmen und nehmen Einfluss auf die Entscheidungen der EU. Die EU-Kommission gewährt ihnen häufig bevorzugten Zugang zu Entscheidungsprozessen oder Expertengruppen. Dass die Klimagipfel in Kopenhagen und Bonn scheiterten, sei ebenso auf diese Lobbyarbeit zurückzuführen wie die fehlenden Reformen der Finanzmärkte: »Beides zeigt die mächtigen Strategien der Wirtschaft, wenn es um profitorientiertes Lobbying zu Lasten klima- und verbraucherfreundlicher Regulierung geht«, erklärten die Organisatoren.

Besonders negativ aufgefallen sind dabei die Praktiken der erstplatzierten britischen RWE-Tochter npower, »weil sie sich ein umweltfreundliches Image verpasst, aber gleichzeitig alle Hebel in Bewegung setzt, um ihre schmutzigen Kraftwerke weiter zu betreiben«, so Nina Katzemich, Sprecherin der Organisatoren. Besonders die EU-Richtlinie zur Beschränkung von Industrieemissionen hätte für RWE npower bedeutet, dass sie mehrere Kohle- und Öl-Kraftwerke in Großbritannien vom Netz nehmen oder zügig hätte modernisieren müssen. Die Lobbyarbeit – unter anderem malte man gemeinsam mit dem deutschen Energiekonzern E.on Horrorszenarien von landesweiten »Versorgungslücken« an die Wand – hatte Erfolg: Kohlekraftwerke z.B. müssen nun der im Sommer 2010 verabschiedeten Richtlinie zufolge ihre Emission nicht eindämmen, solange sie garantiert bis 2023 abgeschaltet werden – deutlich später als ursprünglich geplant. Zugleich gibt sich RWE seit Jahren ein grünes Image mit Kampagnen und verschiedenen kleinen Modellprojekten im Bereich Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien.

In der Kategorie Finanzen geht der Preis an die Lobbygruppe International Swaps and Derivatives Association (ISDA), zu der das Investmentunternehmen Goldman Sachs und die Deutsche Bank gehören. Die Gruppe hätte besonders die Regulierungen für umstrittene Derivate verhindert, die in der Lebensmittelkrise 2008 und in der jetzigen Eurokrise eine Schlüsselrolle innehaben. ISDA drängte die EU-Kommission zu einer »Derivaten-Expertengruppe«, die sich größtenteils aus ihren eigenen Mitgliedern zusammensetzte. Auch die Großbank Goldman Sachs, die gedroht hatte, Regulierung würde sie aus Europa vertreiben, bekam ihren Platz in der Expertengruppe. »Damit hat die ISDA ihren privilegierten Zugang zur EU-Kommission und ihre Funktion als angeblich neutrale Beraterin in Expertengruppen weidlich für ihre Zwecke ausgenutzt«, so Katzemich.

Der »Worst EU Lobbying Award« wurde im Jahr 2005 auf Initiative von vier Organisationen ins Leben gerufen – Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, LobbyControl und Spinwatch. Die Organisationen fordern ein verpflichtendes Transparenz- und Ethikregelwerk für Lobbying auf EU-Ebene.

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