Krankheitserreger als Kampfmittel?

Jahreskonferenz berät über die Stärkung der B-Waffen-Konvention

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Genfer Palast der Nationen treffen sich heute die Mitgliedstaaten der Konvention über das Verbot biologischer Waffen zu ihrer Jahrestagung.

Ab heute geht es in Genf um die Gefahr, dass Militärs, Terroristen oder Kriminelle Infektionskrankheiten als Waffe verwenden könnten. Um solchen Bedrohungen wirksam begegnen zu können, werden die Teilnehmer unter Vorsitz Pedro Oyarces aus Chile darüber beraten, wie bei einer vermuteten Anwendung biologischer oder toxischer Kampfstoffe Hilfsmaßnahmen effektiv zu koordinieren sind. Außerdem sollen die Fähigkeiten zur Krankheitserkennung, Überwachung und Diagnose sowie die Arbeit der nationalen öffentlichen Gesundheitssysteme verbessert werden.

Seit 35 Jahren gilt die Biowaffenkonvention und sie wird zu Recht als erster wirklicher Abrüstungsvertrag bezeichnet. Denn das Übereinkommen untersagt neben der Anwendung ebenso die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Biowaffen sowie deren Besitz und verlangt darüber hinaus die Vernichtung vorhandener Kampfstoffe. Durch die Konvention, der bis heute 163 Staaten beigetreten sind, wurde erstmals eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen samt Ausrüstungen und Trägermitteln vollständig aus den Militärarsenalen der Staaten verbannt. Das Verbot erfasst lebende Organismen oder von diesen gewonnene infektiöse Materialien, die bei Menschen, Tieren oder Pflanzen zu Krankheit oder Tod führen. Das Abkommen wurde möglich, weil die meisten Militärs biologische Waffen damals für nahezu exotisch hielten. Sie galten wegen des Risikos der Selbstinfektion und der Unberechenbarkeit ihrer Ausbreitung als militärisch wenig brauchbar.

Doch inzwischen hat sich die Situation verändert. Die enormen Fortschritte der Wissenschaft machen biologische Kampfstoffe auch militärisch attraktiv. Vor allem Erkenntnisse der Molekular- und Zellgenetik, aber auch die Synthetische Biologie haben die bedrohlichen Potenziale von Biowaffen dramatisch erweitert. So können künstliche biologische Systeme, sogenannte Designerwaffen, erzeugt werden, darunter auch pathogene Viren. Krankheitserreger können mit Raketen verschossen, aber auch als Aerosole von Flugzeugen, Schiffen oder Fahrzeugen aus auf ausgedehnte Gebiete versprüht werden.

Die Verbreitung biologischer Kampfstoffe über Trinkwasseranlagen, Belüftungsaggregate oder durch Vektoren – etwa Insekten oder infizierte Tiere – führen zu Massenerkrankungen, Epidemien und sogar zum Tod. Angesichts der globalen Destabilisierungen, vieler Regionalkonflikte und Bürgerkriege nimmt deshalb das Risiko eines militärischen oder terroristischen Einsatzes biologischer Kampfstoffe zu. Außerdem sind die Möglichkeiten gestiegen, biologische Waffen, die in ihrer Massenvernichtungskraft an die Kernwaffen heranreichen, unbemerkt und relativ billig herzustellen. Es ist weder großes technisches Know-how noch kostspielige Technologie und Infrastruktur zur Herstellung erforderlich. Jedes kleinere Pharmalabor kann Bakterien, Viren und Toxine produzieren, die bereits in geringen Mengen Epidemien unter den gegnerischen Truppen und in der Bevölkerung auslösen.

Schon im Sommer haben Experten aus 89 Staaten und 16 Nichtregierungsorganisationen und Forschungsinstituten zahlreiche Ideen und Vorschläge zur inhaltlichen Konferenzvorbereitung entwickelt. Wissenschaftler fordern, ein umfassendes Konzept für Biosicherheit zu entwickeln. Dafür müssten die verschiedenen existierenden Abkommen zur biologischen Sicherheit von pflanzlichen, tierischen oder menschlichen Krankheitserregern oder gentechnisch veränderten Organismen zusammengeführt werden. Dazu gehören das Cartagena Biosafety Protocol (CBP), die International Plant Protection Convention (IPPC) und das Office International de Epizooties (OIE). Diese Abkommen böten einen funktionierenden multilateralen Rahmen, der einen neuen Ausgangspunkt für künftige Verhandlungen zur biologischen Rüstungskontrolle und Abrüstung bilden könnte.

Die jetzige Jahrestagung ist die letzte einer Serie von Zusammenkünften, auf denen die internationale Konvention zum Verbot von Biowaffen gestärkt werden sollte. Sie waren ein Kompromiss, um angesichts der totalen Verweigerungshaltung der USA unter der Bush-Regierung zumindest den internationalen Dialog zu Biowaffen aufrecht zu erhalten.

Doch so nützlich derartige Konferenzen auch sind, sie können das grundlegende Defizit des Abkommens nicht ausgleichen. Es besteht im Fehlen eines wirksamen Kontroll- und Sanktionssystems. Dabei war ein entsprechendes Zusatzprotokoll, das die Wirksamkeit des Verbots erheblich gestärkt hätte, bereits vor Jahren so gut wie unterschriftsreif. Aber die USA ließen es in letzter Minute scheitern, weil sie die eigene geheime Biowaffenentwicklung vor internationalen Inspektionen abschirmen wollten. Im kommenden Jahr kann auf der Überprüfungskonferenz ein neuer Anlauf unternommen werden.

Die USA haben jedenfalls angekündigt, dem Problem der Biowaffen offener gegenüberzutreten. »Präsident Obama erkennt völlig an, dass ein großflächiger Angriff mit biologischen Waffen auf eine der Großstädte der Welt genauso viele Tote fordern und ökonomischen wie auch psychologischen Schaden anrichten kann wie ein nuklearer Angriff«, versichert die für Abrüstung zuständige Staatssekretärin Ellen Tauscher. Zwar werde man die Verhandlungen über ein Verifikationsprotokoll nicht wieder aufnehmen, aber die Einhaltung der Vertragsverpflichtungen durch »erhöhte Transparenz« und »Erfüllungsdiplomatie« anstreben. Dabei sollten ein breiter Informationsaustausch und vertrauensbildende Maßnahmen eine wichtige Rolle spielen.


Biologische Waffen

Bakterien: lebende, sich durch Zellteilung schnell vermehrende Mikroorganismen; Salmonellen; Erreger von Milzbrand (Anthrax), Pest, Cholera und Diphtherie

Viren: keine echten Lebewesen, bestehen meist nur aus Nukleinsäuren und Eiweißhülle; Erreger u.a. von Ebola, Lassa-, Marburg- und Gelbfieber sowie von Pocken

Rickettsien: zwischen Viren und Bakterien stehende Krankheitserreger; Erreger des Fleckfiebers

Pilze: beruhen auf Reproduktion der verwendeten Organismen; zu den Schimmelpilzen gehört etwa das Leberkrebs verursachende Aflatoxin.

Toxine: Giftsubstanzen tierischer und pflanzlicher Herkunft; als tödliche Gifte wirken u.a. Tetanus, Rizin, Botulin.

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