Mehr Platz für mehr Flüchtlinge
Einstiges Notaufnahmelager Marienfelde nach vier Monaten Pause erneut in Betrieb
Erst Ende Juli verließen die letzten Bewohner der einstigen Notaufnahmestelle für DDR-Flüchtlinge die Anlage. Überraschend musste der Senat sie Anfang Dezember wieder eröffnen, weil die Zahl der Flüchtlinge in Berlin steigt. Darüber beschweren sich die Anwohner der Marienfelder Allee in Tempelhof.
»Das ging alles sehr schnell«, sagte Uta Sternal, Leiterin der wieder geöffneten Aufnahmestelle und des Aufnahme- und Übergangswohnheims Trachenbergring in Marienfelde am Montag bei einem Pressegespräch. »Am 1. Dezember kamen die ersten Flüchtlinge, zwei Tage vorher haben wir erst das Okay vom Senat bekommen, die Wohnungen einzurichten.« Seitdem sind 24 Menschen in der ehemaligen Notaufnahmestelle beziehungsweise der späteren Zentralen Aufnahmestelle des Landes Berlin für Aussiedler (ZAB) untergebracht. In den nächsten Tagen und Wochen erwartet Silvia Schott vom Internationalen Bund (IB), der beide Einrichtungen in Marienfelde betreibt, dass die Zahl auf 60 steigt. Bis Februar 2011 plane das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales, dort 250 Flüchtlinge unterzubringen.
Der IB ist froh über die Entscheidung des Senats. Denn in dem 15 Häuser umfassenden Komplex sind die Flüchtlinge und Asylbewerber in Ein-, Eineinhalb- und Drei-Zimmer-Wohnungen untergebracht und können damit auf ein Leben in einer eigenen Wohnung in Deutschland vorbereitet werden. Sternal erklärte, dass viele Projekte, wie Holz- und Gartenarbeit, auf dem Gelände möglich seien. Ebenso gibt es Spielplätze und Sportanlagen. Auch mit der nahe gelegenen Kiepert-Schule soll Unterricht für die Kinder organisiert werden.
Diese Vorhaben erfordern weiteres Personal. Mit zehn bis 15 neuen Mitarbeitern sei kurzfristig zu rechnen. Auch müssten die Wohnungen erst wieder eingerichtet werden. Geld sei dabei kein Problem, eher Handwerker so kurzfristig zu beauftragen, so Sternal. Die Flüchtlinge, die an der Marienfelder Allee einziehen, kommen laut Senat hauptsächlich aus Serbien, Afghanistan, Irak und Iran. Sie haben bereits drei Monate in der Erstaufnahmestelle in der Spandauer Motardstraße verbracht, von Kritikern auch als Ausreisezentrum und Lager bezeichnet. Dort verbringen sie nach Bundesrecht drei Monate in Gemeinschaftsunterkünften. Danach sollen die Menschen nach Linie des Senats möglichst nicht mehr in Wohnheimen leben.
Im Frühjahr wurde bekannt, dass die Zahl der Flüchtlinge in Berlin zunimmt und die Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Der Senat rechnet mit 1900 Asylsuchenden im Jahr 2010, die direkt in Berlin ankommen und vom Bund dem Land zugewiesen werden. Daher wurde im Juli erstmals seit 2001 ein Asylbewerberheim geöffnet. Gleichzeitig brachte der Senat im ersten Halbjahr 2010 so viele Flüchtlinge in Wohnungen unter wie im gesamten Vorjahr. Doch die Kapazitäten reichten nicht aus, berichtete die Senatsverwaltung für Integration. Daher würde nun die Marienfelder Einrichtung wieder angemietet.
Dagegen wehren sich die Nachbarn. In einem offenen Brief an die Integrationssenatorin Carola Bluhm (LINKE) kritisieren sie, nicht informiert worden zu sein. Bezirk und Senat reagieren auf den Unmut mit einer Anwohnerversammlung am Mittwoch um 20 Uhr in der Cafeteria des ehemaligen ZAB, Marienfelder Alle 66-80.
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