Aspirin hin und Aspirin her

Beim »Pharmatourismus« kaufen Polen gezielt, Deutsche gucken, was es gibt

  • Jörg Schreiber
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
»Da hab ich ein schönes Schnäppchen gemacht«, freut sich die Mittfünfzigerin aus Eisenhüttenstadt. Bei einem Einkaufsbummel durch die polnische Grenzstadt Slubice hatte die Frau aus Neugierde auch in die Apotheke am zentralen Platz hineingeschaut und gleich eine Flasche Klosterfrau Melissengeist gekauft, die hier sprachfreundlich »Melisana« heißt. Keine zehn Zloty (umgerechnet 2,70 Euro) habe sie für die 95-Milliliter-Flasche bezahlt. In Deutschland koste diese über sechs Euro. Doch so richtig flutscht der »Pharmatourismus« Richtung Polen nicht mehr: Es gab mal bessere Zeiten, erzählt die Chefin der Apotheke gleich hinter der Grenzbrücke. Heute kämen vielleicht noch sieben bis zehn Prozent ihrer Kunden aus dem nahen Deutschland. Die würden in erster Linie Vitaminpräparate, Schmerzmittel wie Aspirin oder Kräutergeist für Herz und Kreislauf kaufen. Der Preis spiele dabei gar nicht mal so sehr eine Rolle, sagt sie. Auch in Polen seien Medikamente teurer geworden. Die Deutschen würden vielmehr schauen, was es hier so gibt und zu Hause nicht. Unterdessen deckt sich gut 500 Meter weiter westlich in der Frankfurter Lenné-Apotheke eine junge Polin mit hochwertigen Cremes ein: Emulsion gegen Orangenhaut, Duschgel, Feuchtigkeitscreme. Knapp 40 Euro - ein Fünfzehntel des durchschnittlichen Monatslohns - legt sie auf den Tisch. »Die polnischen Frauen kaufen gerne ganze Serien und achten sehr auf Qualität«, weiß Apo- theken-Chefin Sabine Meinel. Natürlich verkaufe sie auch Hustensaft oder Schmerztabletten, aber das seien eher Ausnahmen. Bevorzugt würden Kosmetik und homöopathische Mittel, also hauptsächlich Artikel, die es im Nachbarland gar nicht oder bei Serien nicht in dieser Breite gibt. Bis zu zehn Polen schauen täglich in ihrer Apotheke vorbei, sagt Meinel. Diese kämen nicht nur aus Slubice und dem Umland. Mittlerweile habe sie auch Stammkunden aus Poznan und sogar Warschau. Das seien meist Geschäftsleute, die per Fax vorbestellen und dann zwei Tage später die Arzneien holen oder durch Bekannte abholen lassen. Rezeptpflichtige Medikamente verkaufe sie dagegen weniger, sagt Meinel. Denn deutsche Apotheken dürfen polnische Rezepte nicht anerkennen, so lange das Land nicht EU-Mitglied ist. Die polnischen Kollegen nehmen dagegen deutsche Rezepte an. »Es tut mir leid, wenn eine Mutter mit ihrem kranken Kleinkind bei mir im Laden steht und dann ohne Medikament wieder gehen muss«, sagt Sabine Meinel. Die Polen müssen nicht nur die teuren Arzneien komplett bezahlen - weil sie als Privatpatienten gelten -, sondern auch für die Umschreibung eines Rezeptes bei einem deutschen Arzt Gebühren entrichten. Und das könne sich mancher nicht leisten. Der deutsch-polnische »Pharmatourismus« treibt auch kuriose Blüten: So kaufen deutsche Rentner und Arbeitslose gerne Aspirin in Polen, weil es da nur ein Drittel kostet, sagt die Apothekerin. Umgekehrt verlangen ihre polnischen Kunden dieses Medikament gerne in ihrem Laden. »Die deutschen Pillen wirken schneller«, habe ihr ein Pole mal auf ihre erstaunte Frage geantwortet. Generell raten deutsche Apotheker nicht von einem Einkauf bei ihren Kollegen jenseits der Grenze ab. Unbekannte Arzneien, deren Beipackzettel ...

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