Pflegeversicherung erhitzt die Gemüter
Auf einem Gipfel in Berlin forderte die Branche ausländische Fachkräfte und eine schnelle Reform
Warum soll in der Pflegeversicherung nicht klappen, was in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scheinbar mühelos über die Bühne zu bringen war? So oder ähnlich könnte Minister Rösler gefragt haben, bevor er sich gestern in Berlin mit Vertretern der Pflegebranche traf. Die thematisierten Zehntausende fehlende Pflegekräfte und immer mehr Bedürftige. Die Branche forderte von Minister Rösler ein energisches Eingreifen, berichtet eine Nachrichtenagentur.
Die Diskussion dürfte gut in die Pläne der Regierung passen, die den Vermutungen einiger Oppositionspolitiker zufolge bereits fertige Reformpläne für die Pflegeversicherung in der Schublade hat. Diese sollen darauf hinauslaufen, eine private, kapitalgestützte Säule in die Pflegeversicherung einzubauen, die für jeden Bürger Pflicht wäre. »Philipp Rösler will aus dem Pflegenotstand ein Geschäft für die Versicherungen machen«, kommentiert Gesine Lötzsch, Vorstand der Linksfraktion im Bundestag, diese Pläne. Sie weist darauf hin, dass zwischen 1995 und 2006 etwa 50 000 Pflegestellen in Krankenhäusern abgebaut worden sind, obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen auch da schon rasant anstieg. Genau diese Zahl von fehlenden Pflegekräften mahnte der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, unmittelbar vor der Runde am Dienstag in Berlin an: »Wir erwarten ein deutliches Signal, dass das Problem jetzt endlich im Bundesgesundheitsministerium angekommen ist«, sagte er. »Uns fehlen heute schon 50 000 Pflegekräfte.« Es müsse eine Botschaft her, weil die Berufsgruppe in Aufruhr sei. Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, bezifferte den Bedarf an Pflegekräften bis 2020 auf 150 000 in Kliniken und 250 000 in der Altenpflege. Ebenso wie die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will er ihn mit ausländischen Pflegekräften decken.
Mehr Ausbildungsplätze und attraktivere Rahmenbedingungen forderten die Gesetzlichen Krankenkassen. Bund, Länder, Kommunen und alle weiteren Beteiligten müssten Hand in Hand arbeiten, um auch Vor-Ort-Lösungen zu ermöglichen, sagte Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, nannte die Worte von Minister Rösler einfallslos. Sie hofft, dass er mit seinem Engagement nicht nur davon ablenken wolle, »dass in den Hinterzimmern bereits an der unsolidarischen Finanzreform der Pflegeversicherung gestrickt wird«. Der Sozialverband Deutschland warnte vor einer Entsolidarisierung der Pflege. Die Deutsche Hospiz-Stiftung machte Verbände und Einrichtungen für den Fachkräftemangel verantwortlich. »Es waren die Organisationen selbst, die die Pflegekräfte eingespart haben«, sagte Vorstand Eugen Brysch.
Derzeit ist jeder gesetzlich Krankenversicherte automatisch Mitglied der Pflegeversicherung und jeder privat Krankenversicherte muss ebenfalls pflegeversichert sein. Arbeitnehmer und Arbeitgeber entrichten je den Beitragssatz von 1,95 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 2,2 Prozent. Der Pflegedialog soll in den nächsten Monaten fortgesetzt werden. Seiten 8 und 17
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