Beim Bebelplatz geht's nicht um Mode
Wolfgang Brauer (LINKE) sieht den Gedenkort der Bücherverbrennung beschädigt
ND: Auf dem Bebelplatz in der Mitte Berlins ist im Januar wieder Fashion Week. Bleibt hier die Mode also in Mode?
Brauer: Mit Mode hat das wenig zu tun. Mercedes Benz stellt ein Plastikplanen-Zelt auf. Die über den Laufsteg wandelnden Damen sehen den Bebelplatz nicht. Das Publikum sieht ihn nicht. Aber dieses Zelt verdeckt das Denkmal an die Bücherverbrennung der Nazis von 1933 vollkommen, und es zerstört den öffentlichen Raum dieses Platzes.
Das Denkmal bleibt aber zugänglich.
Sicher wird es wieder so eine Art Kellergang geben. Aber das Denkmal besteht nicht nur aus der »Versunkenen Bibliothek« Micha Ullmanns. Der Künstler hat nachdrücklich erklärt, zum Bestand dieses Denkmals gehöre der gesamte Platz, und so ist es auch. Das Denkmal ist der Bebelplatz. Das wird beschädigt durch diese kommerziellen Nutzungen. Es ist vollkommen egal, ob dafür Ferraris vorfahren oder High Heels über den Laufsteg stöckeln.
Die Nutzung ist gestattet.
Zuständig ist dafür das Bezirksamt Mitte von Berlin. Der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses hatte jedoch am 30. August eine Stellungnahme für den Petitionsausschuss des Landesparlaments beschlossen. Danach war sicherzustellen, dass ab dem 1. Januar des Jahres 2011 auf dem Bebelplatz keine kommerziellen Veranstaltungen mehr stattfinden.
Aber es hört niemand drauf?
Es ist ein unerhörter Vorgang, wenn ein Amtsträger, in welchem Amt und von welcher Partei auch immer, den Willen des Parlamentes ignoriert.
Was nun?
Das Sauberste wäre, wenn der zuständige Bezirksstadtrat in Mitte die Sondernutzungsgenehmigung sofort zurückzieht und den Veranstaltern der Fashion Week einen anderen Platz nahelegt.
Welchen?
Auch der Alexanderplatz war schon im Gespräch. Es hieß aber, da können wir nicht hin, weil sich dort die Ausstellung anlässlich des 20. Jubiläums des Mauerfalls befindet. Diese Ausstellung ist weg, die Fashion Week hätte auf den Alex gehen können. Die Mercedes-Benz Fashion Week kann sich, bitteschön, auch in der Mercedes-Benz-Niederlassung am Salzufer niederlassen. Die ist groß genug.
Ließe sich das auch etwas verbindlicher vorschlagen?
Man kann niemanden zwingen, auf diesem oder jenem Koordinatenpunkt diese oder jene Veranstaltung zu machen. Aber man kann sagen, da will ich es nicht. Dieses Wort ist überfällig.
Fehlt es einfach den Verantwortlichen an Sensibilität und dem Senat an Durchsetzungskraft?
Ich bin selbst neugierig, weshalb der Senat hier stillschweigend zugesehen hat. Ob es den Verantwortlichen an Sensibilität fehlt oder nicht – sie hätten hören müssen, wie ihnen Sensibilität von verschiedenen Menschen in dieser Stadt nahegelegt wurde.
Könnte der Senat eingreifen, wenn er denn wollte?
Wenn es darum ging, gesamtstädtische Interessen wahrzunehmen, hat der Senat auch an anderen Stellen eingegriffen. Auf den Pariser Platz kommt inzwischen auch nicht mehr jeder mit jeder Veranstaltung rauf.
Fragen: Klaus J. Herrmann
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