Abschied in Schwarz
Im Dezember muss Heike Albrecht die künstlerische Leitung der Sophiensaele abgeben
Neonfarben waren die Dreimonatshefte der Sophiensaele. Das vom Dezember trägt Trauer: Es liegt einem schwarz in der Hand. Der renommierte Spielort an der Sophienstraße zeigt Flagge, die dunkle. Ende des Jahres verlässt Heike Albrecht das dampfend in die Zukunft steuernde Schiff.
Gerade konnten Amelie Deuflhard, Sasha Waltz und Jochen Sandig, Gesellschafter des historischen, denkmalgeschützten Handwerkervereinshauses, mit dem Eigentümer einen neuen Mietvertrag über 15 Jahre abschließen. Einmalige Zuwendungen aus der Stiftung Deutsche Klassenlotterie sichern den Weiterbetrieb: Mitte 2011 beginnt die notwendige Sanierung des maroden Hauses, Ende jenes Jahres dann im grundrenovierten Haus der Spielalltag. Ab Januar bilden die Dramaturginnen Franziska Werner, Ilka Seifert und Bettina Sluzalek als Programmplanungsteam gemeinsam mit Geschäftsführerin Kerstin Müller die neue Leitung der Sophiensaele GmbH.
Die angedachte Fusion mit dem Radialsystem ist vom Tisch, »künstlerische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Sophiensaele« versprechen in einer Pressemitteilung die Gesellschafter. Waren es doch Waltz und Sandig, die 1996 die Sophiensaele gründeten und zu einer ersten Adresse für zeitgenössisches Theater machten; Deuflhard folgte ihnen als künstlerische Leiterin nach. Da Sandig für ein Gespräch nicht zur Verfügung stand, erklärte Heike Albrecht ihre Sicht der Dinge.
Seit Juli 2007 leitet die gebürtige Potsdamerin den Probe-, Recherche- und Aufführungsort. Und hatte Glück im Unglück. In der Nacht, bevor sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zur Besichtigung angemeldet hatte, stürzte ein Teil der Decke ein. Das überzeugte, dem schon 2006 von Deuflhard gestellten Sanierungsantrag stattzugeben: mit 2,3 statt der beantragten 2,1 Millionen Euro. Schallschutzfenster, Fußböden, Heizsystem, Elektroanlage, Sanitäreinrichtungen, Fahrstuhl, Haustechnik, Decken, Galerie im Festsaal – vieles liegt baulich im Argen.
Inhaltlich, sagt Albrecht, fand sie seit Jahren selbstständig arbeitende Künstler vor, denen es an Vernetzung fehlte; und das erstrebte Prinzip der Residenzen ließ sich schwer finanzieren. Ein Tanzhaus schwebte ihr nicht vor, wohl aber eine Balance der Künste: Theater, Tanz, Musiktheater. Für jeden der drei Räume suchte sie nach einer besonderen Fragestellung. Partner wurde ihr etwa der Regisseur Thorsten Lensing, den Sophiensaelen seit 1996 verbunden und offen für jenes Konzept.
Den Nachwuchs zu fördern, individuelle Handschriften entwickeln helfen, Künstler verschiedener Generation ans Haus zu holen, nennt Albrecht als wesentliche Säulen ihrer Arbeit. Das Freischwimmer-Festival war »Neuen« ein Podium; Lensings »Onkel Wanja« mit Stars wie Devid Striesow rechnet ebenso zu den Erfolgen wie David Martons »Don Giovanni«; Michael Laub kam als Vertreter der etablierten Generation. In der Spielplangestaltung, sagt Albrecht, sei sie von Künstlerideen und Projektgeldern abhängig gewesen, hätte eben bisweilen spontan kleinere Brötchen backen müssen. Die Vernetzung auch mit anderen Häusern würde sie rückblickend intensivieren, hätte gern Wiederaufnahmen gezeigt, um ein Repertoire zu schaffen. An der Finanzierbarkeit scheiterte das.
Um die 64 Prozent lag die Auslastung, bedingt durch sperrige, weniger frequentierte Formate. Dass jetzt neben Schülergruppen auch Besucher bis 60 Jahre ins Haus kommen, zählt sie zu den Positiva der Amtszeit. Eher positiv sieht sie auch das Presseecho auf ihre Arbeit. Für den Abschieds-Dezember hat sie spannende Gäste eingeladen. Xavier Le Roy tanzt sein international tourendes Solo »Self Unfinished«, Marie Brassard liefert mit »Me Talking to Myself in the Future« singend ein surreales Selbstporträt. Letzte Premiere ist La Hengst/Müller-Klugs »Deutschlandmärchen« um politische Mythen in der sozialen Markwirtschaft.
Sophiensaele, Sophienstr. 18., Mitte, Kartentelefon 283 52 66, Infos unter www.sophiensaele.com
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!