Pressestelle
Demagoge am Kamin
Wie man sich elegant der Verantwortung für die Inhalte der eigenen Zeitung entzieht, demonstrierte die Chefredaktion der »taz« in ihrer letzten Dienstagsausgabe: Sie machte Urlaub. Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden. Ines Pohl und Reiner Metzger überließen den Praktikanten allerdings just an dem Tag das Feld, an dem Salonrassist Thilo Sarrazin zwei volle »taz«-Seiten mit der Ausbreitung ungehemmten Selbstmitleids, lernresistenter Rechtfertigung und anmaßender Abkanzelung von Kritikern füllen durfte.
Um dieses Vorhaben nicht durch kritische Fragen zu gefährden, spielte dem gefeuerten Bundesbanker beim kuscheligen Kamingespräch übrigens Hau-Drauf-Publizist Henryk M. Broder die Bälle zu. Der demonstrierte denn auch prompt seine Distanz zum journalistischen Objekt, indem er sich erst einmal drei der Sarrazin-Machwerke signieren ließ (»für seine Lieben«).
Auf Broder als Interview-Partner fiel die Wahl laut »taz«-Editorial in der Hoffnung, Sarrazin würde sich einem Gesprächspartner, »der seine Thesen nicht ablehnt, mehr öffnen«. Das ist löblich. Er kam einem auch schon richtig verstockt vor, der Sarrazin. Auch und gerade wenn er – wie in den letzten Wochen – jedem, der sein Mikrofon nicht rechtzeitig in Sicherheit brachte, etwas von Überfremdung und Gen-Theorien erzählte.
Die Folge ist ein angemessen verdruckster, unangemessen wichtigtuerischer und angestrengt lässiger Umgang der Zeitung mit der Demagogen-Homestory. Neben diversen Hinweisen auf die Unschuld der Chefetage am reißerischen Sündenfall, rahmen Texte, wie sie banaler und selbstbezogener in keiner Schülerzeitung zu finden sind, das Lamento über Sarrazins Promi- und Privatier-Problemchen. Broder trank Tee, Sarrazin Kaffee, ist hier zu lesen. Und dass diese Ausgabe keine Wohlfühl-»taz« sei. Stimmt – außer für Thilo Sarrazin. Geradezu aufreizend selbstverliebt erscheint die »taz«-Freude auf »empörten Protest und überbordende Leserbriefe«.
Immerhin – Sarrazin ist scheinbar schon weiter als die eigentlich ja sehr sympatischen Kollegen der »taz«. Im Interview bezeichnet er sein Buch und die Debatte darum als »langen und lauten Furz«.
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