Stimmungsmache gegen Muslime

Seminar analysiert antiislamischen Rassismus

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In der aktuellen Debatte wird der Islam zunehmend mit Terrorismus, Frauenunterdrückung und Rückständigkeit gleichgesetzt wird. In Hamburg fand am Wochenende ein Seminar statt, das sich mit antiislamischem Rassismus befasste.

Die Schändungen von Moscheen und Gräbern von Muslimen nehmen zu. Immer häufiger werden Kopftuch tragende orientalisch aussehende Frauen auf der Straße bepöbelt. Trotz wachsender Bedrohungen, die Muslime erfahren, verstärke sich in Deutschland die Tendenz einer »exkludierenden Gesetzgebung«, meint Sabine Schiffer, Sprach- und Islamwissenschaftlerin: »Es geht immer mehr um die Sicherheit vor Muslimen und nicht von Muslimen.«

Die Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen beobachtet mit Sorge die Stigmatisierung von Muslimen durch manipulative Methoden, wie die willkürliche Verallgemeinerung von Fakten und Verbreitung von Mythen, durch die der Islam mit Terrorismus, Frauenunterdrückung und Rückständigkeit gleichgesetzt wird.

Der Fall Sarrazin

Schiffer und andere Wissenschaftler sowie mehr als 150 vorwiegend junge Menschen waren am vergangenen Wochenende einer Einladung des AStA der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), der GEW Studies und dielinke.SDS zu einem dreitägigen Seminar über antiislamischen Rassismus nach Hamburg gefolgt. Mit dem Titel »Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen« – einer Überschrift, mit der die Bild-Zeitung vor einigen Monaten Thilo Sarrazin gefeiert hatte – wollten die Organisatoren des Projekts auf den oftmals übersehenen Unterschied zwischen kritischer Aufklärung und rassistischer Hetze hinweisen.

Die Stimmungsmache gegen Muslime durch vermeintliche Tabubrecher wie Thilo Sarrazin oder Henryk M. Broder haben wenig mit Meinungsfreiheit und berechtigter Religionskritik, aber viel mit Rechtspopulismus und Verbreitung fremdenfeindlicher Ressentiments zu tun. Die Studierenden, darunter viele von Rassismus Betroffene, widmeten ihre Analysen nicht zuletzt der ideologischen Funktion des Islamhasses. Nach dem Kalten Krieg habe die NATO ihre Existenzberechtigung weitgehend verloren. Um geopolitische Interessen des Westen durchzusetzen, musste ein Ersatz für das alte Feindbild Kommunismus imaginiert werden, erklärte der Leipziger Medienwissenschaftler Thilo Probst. Der Afghanistankrieg werde mit dem »Totschlagargument« der Durchsetzung von Demokratie und Frauenbefreiung legitimiert.

»Die Drastik des durch alle Medien geisternden Fotos von einem afghanischen Mädchen, dem die Nase abgeschnitten wurde, erinnert an Kampagnen gegen Kinderpornografie. Wer sich gegen die Besatzung ausspricht, gilt als Befürworter der Verstümmelung von Frauen«, kritisierte Probst. Und er ergänzt, dass NATO-Staaten ansonsten nicht zögerten, »diktatorische Regime und die afghanischen Warlords zu unterstützen«.

Verschleiernde Begriffe

Die Putzfrau mit dem Kopftuch habe kaum jemanden gestört, an der Akademikerin mit Kopftuch werde Anstoß genommen, stellte Sabine Schiffer fest. In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise steckten hinter der sich ausbreitenden Islamophobie Konkurrenzdenken und massive Abstiegsängste: »Es geht auch um Privilegienschutz.«

Erziehungswissenschaftlerin Iman Attia prangerte die Heuchelei der zunehmend aggressiver formulierten Forderungen an Muslime an, sie müssten sich integrieren: Die meisten seien in Zeiten der Vollbeschäftigung »als Arbeitsmigranten geholt worden, die effektiv ausgebeutet wurden«. Es sei gar keine Integration erwünscht gewesen.

»Der Begriff verdeckt die Ausgrenzung und Diffamierung von Migranten als ›Barbaren‹ und ›Parasiten‹ «, kritisierte Garip Bali von der Berliner Initiative Integration nein danke!. »Mit Integration ist heute meist Unterwerfung und Disziplinierung gemeint – nie Gleichberechtigung.«

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